Ruhm war für ihn eine Horror-Vorstellung: "Einige Zeit nach meinem Tod werde ich richtig entdeckt. Meine Worte sind überall", notierte Charles Bukowski zwei Jahre vor seinem Tod am 9. März 1994 in seinem Tagebuch. "Clubs und Gesellschaften werden gegründet. Ekelhaft."

Der alkoholkranke Autor, der in seinen Geschichten den Verlierern des amerikanischen Traums ein Denkmal setzte, war aber schon zu Lebzeiten eine Kultfigur. Geboren wurde er 1920 als Sohn eines US-Soldaten und einer Deutschen in Andernach in Rheinland-Pfalz. Dort erinnert seit 2021 das "Charles Bukowski-Ufer" am Rhein an ihn.

Lebensweg eines Untergrundpoeten

"Ich beschreibe einfach die Scheiße um mich herum, das ist meine Kunst", erklärte Bukowski einmal. Vieles, über das er schrieb, kannte der passionierte Pferdewettenfan aus eigenem Erleben. Der Vater einer Tochter schlug sich als Gelegenheitsarbeiter bei der Eisenbahn durch, in einem Schlachthof, in Bars. Hinterlassen hat er mehr als 70 Bücher mit Romanen, Short Storys, Gedichten, Briefen und Essays. Vor 30 Jahren starb der Untergrundpoet im Alter von 73 Jahren in Los Angeles an Leukämie.

Kritisch gegenüber einer gnadenlosen Leistungsgesellschaft

Bukowski beschreibe "unideologisch, ohne sozialromantische Verblendung die Wirklichkeit am Existenzminimum", schreibt Frank Schäfer im Buch "Notes on a Dirty Old Man", erschienen zum 100. Geburtstag im Jahr 2020. Damit zeige er "schonungslos die tiefen Risse im Fundament der amerikanischen Gesellschaft".

Der Vorsitzende der deutschen Charles-Bukowski-Gesellschaft mit Sitz in Bamberg, der den Künstlernamen Roni trägt, erklärt: Die Art der Auseinandersetzung mit menschlichen Abgründen, sozialen Außenseitern, den Verlierern einer gnadenlosen Leistungsgesellschaft sowie die stoische Hinnahme der Lebensumstände sei beispiellos in der Weltliteratur. Zu den weltweiten Bukowski-Fans zählen der U2-Frontmann Bono, der Schauspieler Sean Penn und der Musiker Tom Waits, der über den Schriftsteller sagte: "Er war der Autor für die Habenichtse und für die Leute, die keine Stimme hatten."

Mutig ohne Arroganz

Der Hildesheimer katholische Bischof Heiner Wilmer sieht sogar nachahmenswerte Eigenschaften bei Bukowski: die Liebe zum Leben, die Lust an Neuem oder den Mut, Abenteuer einzugehen. "Er war ein reflektierter Mann, ein großartiger Denker, der den Kopf heben konnte, ohne arrogant zu werden", sagte Wilmer dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in einem Interview.

Literarische Rezeption in Deutschland

In Deutschland wuchs Bukowskis Fangemeinde bereits seit den 1970er Jahren - als er in den USA noch ein Geheimtipp in der Untergrund-Literatur-Szene war. Der in Augsburg ansässige MaroVerlag veröffentlichte die ersten Bände des Autors in Deutschland. Seine Bücher "Gedichte, die einer schrieb, bevor er im 8. Stockwerk aus dem Fenster sprang" oder "Aufzeichnungen eines Dirty Old Man" erreichten hierzulande Rekord-Auflagen. Legendär war Bukowskis Auftritt 1978 in der Hamburger Markthalle: Ein großer Kühlschrank auf der Bühne sorgte dafür, dass ihm beim Lesen der gekühlte Weißwein nicht ausging.

Kritisch selbst gegenüber eigenen Fans

Seine Geschichten soll er nachts bei klassischer Musik und Alkohol in die Tasten der Schreibmaschine gehämmert haben. Vom Schreiben leben konnte er erst nach dem Erfolg des Romans "Der Mann mit der Ledertasche", der Anfang der 1970er Jahre erschien. Da war Bukowski bereits über 50 Jahre alt. Seinen Job im Postamt hatte er kurz zuvor hingeschmissen und in nur drei Wochen den Report über den frustrierenden Alltag eines Briefzustellers in die Maschine getippt.

Bukowskis Schilderungen von der Kehrseite des amerikanischen Traums machten ihn auch in der Szene der wachsenden gesellschaftskritischen Gegenkultur, bei Hippies und Intellektuellen, populär. Dem eingefleischten Einzelgänger Bukowski blieben allerdings alle diese Bewegungen nach eigenen Angaben suspekt.

Alkoholismus, Krankheit und exzellente als Arbeit als Schriftsteller

Zur Welt kam er am 16. August 1920 als Heinrich Karl Bukowski. Als Kleinkind zog er mit seinen Eltern aus Deutschland nach Los Angeles, wo die Familie in kleinbürgerlichen Verhältnissen lebte. Regelmäßig zu schreiben begann er mit Mitte 30, nachdem er auf der Armenstation des Los Angeles County Hospitals fast an Magenblutungen gestorben wäre. Seinen Alltag und seine Biografie verarbeitete er zu Hunderten von Gedichten und Short Storys sowie in Romanen. "Ich rauche zu viel, ich trinke zu viel, aber vom Schreiben kriege ich nie genug", sagte er einmal.

Das Schreiben verhalf dem ungelernten Arbeiter am Ende zu einem Leben ohne Geldsorgen an der Seite seiner Frau Linda Lee in San Pedro in Kalifornien. Bis zum Schluss hielt er an seinen Ritualen fest: Tagsüber fuhr er zum Wetten zu Pferderennen, nachts tippte er seine Geschichten.

Nachwirkung 

Sein literarisches Archiv befindet sich inzwischen durch die Stiftung der Witwe im Besitz der Huntington Library im kalifornischen San Marino. Bukowskis Leben und Werk lieferte mehrmals Stoff für Verfilmungen. Für "Barfly" (1987) mit Mickey Rourke und Faye Dunaway schrieb er selbst das Drehbuch.

Sterben als "lausiger Job"

Er habe keine Angst vor dem Sterben, sagte Bukowski in dem Dokumentarfilm "Born into This": "Wenn der Tod kommt, sagst du: Okay, Baby, es ist Zeit." Das Sterben müsse man hinter sich bringen wie einen lausigen Job, notierte er wenige Jahre vor seinem Tod. Fehlen werde ihm das Schreiben: "Schreiben ist noch besser als Trinken." Am besten, fand er jedoch, sei beides gleichzeitig.

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