Wer ist der Meister des ehemaligen Fürther Hochaltars? Kunsthistorikerin Isabella Sturm hat seinen Namen noch nicht herausgefunden. Sie kennt aber rund 20 Werke, die von dem anonymen Maler stammen müssen. Sein herausragendes Werk ist der um 1500 für die Fürther Michaeliskirche geschaffene, bemalte Altaraufsatz, der seit rund 200 Jahren in der Salvatorkirche in Nördlingen steht. Am Dienstag (25. April) nimmt sie um 19 Uhr die Gäste eines Vortrags in der evangelischen Stadtakademie im Nürnberger "eckstein" mit auf eine nicht nur kunsthistorisch spannende Detektiv-Suche.

Der Künstler muss auf Augenhöhe mit Leuten wie Michael Wolgemut oder Hans Süß von Kulmbach gestanden haben, vermutet Sturm. Nur so sei es zu erklären, dass ihm so viele Werke zugeschrieben werden könnten, die nach wie vor in großen Kirchen hingen. In der Nürnberger St. Sebaldkirche beispielsweise gebe es zwei Epitaphien aus der Hand des Unbekannten. Die Doktorandin an der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg hat schon viele stilistische Merkmale herausgearbeitet, die eine eindeutige Handschrift zeigen: Manche Figuren hätten einen Blaustich im Weiß des Auges, eine signifikante Rundung ihrer Ohrmuscheln, eine charakteristische Art, den Blick zur Seite zu wenden oder auch ein immer wieder verblüffend ähnliches Grübchen im Kinn.

Der ehemalige Fürther Altar ist zweimal aufklappbar, er besitzt doppelseitig bemalte Flügel mit beweglichen Figuren. "Der Bildschnitzer ist ebenso unbekannt wie der Maler", erklärt Sturm. Unter den Figuren findet man in erstaunlich hochwertiger Qualität mehrere Male den Erzengel Michael, aber auch die Figuren von Heinrich oder Kunigunde. Die beiden sind die Heiligen des Bamberger Bistums, zu dem das damals noch katholische Fürth gehörte. Ins Schwärmen gerät die Kunsthistorikerin, wenn sie an die künstlerische Ausführung von changierenden Stoffen mit Faltenwürfen sowie an das viele Gold und die kräftigen Farben denkt.

Evangelische Michaeliskirche in Fürth

Um 1500 kam der Altar in die Kirche St. Michael, wo er bis 1815 blieb. Der damalige Pfarrer Christoph Fronmüller wollte die bis dahin recht spätmittelalterlich ausgestattete Kirche modernisieren und verbannte neben Glasmalereien auch den Altar. Der kam in den Kunsthandel, wo die recht junge Salvator-Kirchengemeinde in Nördlingen um 1826 auf ihn aufmerksam wurde. Ihre Kirche ging auf ein Karmelitenkloster zurück; die Gemeinde suchte nach passender Ausstattung.

Bevor der Altar in die Salvatorkirche gelangte, wurde er in Ansbach restauriert und für die neue Umgebung angepasst. So wurde der Heilige Lorenz, der auf die Ursprünge der Michaeliskirche und die Verbindung nach St. Lorenz in Nürnberg verweist, zum Stephanus umgearbeitet. Aus Heinrich wurde der dänische Nationalheilige Knut, aus Kunigunde eine Barbara. Isabella Sturm wollte wissen, ob die Nördlinger auch an die Malereien Hand angelegt hatten. Sie ließ den Altar vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege mit einer Infrarot-Kamera untersuchen, um auch die Unterzeichnungen sichtbar zu machen - also die ersten Schattierungen, die ein Maler ansetzt und dann ausmalt. Ergebnis: Keine grundlegenden Eingriffe, die Altarbemalung ist die alte geblieben.

Suche nach Künstler der Michaeliskirche

"Wie kann es sein, dass bei so vielen Beispielen nirgendwo ein eindeutiger Hinweis auf den Urheber zu finden ist?" Diese Frage treibt die Kunsthistorikerin nun schon seit Jahren um. Es sei bisher keine schriftliche Korrespondenz zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer wie Rechnungen oder Zeitzeugenberichten aufgetaucht. "Ich finde zwar bei meinen Recherchen immer wieder tolle Hinweise für meine Arbeit an sich, den entscheidenden auf den Künstler hin leider noch nicht", gibt sie zu. Der Stil des Malers scheint der einzige Schlüssel zu sein, sich ihm zu nähern.

Albrecht Dürer, der seit spätestens 1497 damit begonnen hatte, seine Werke mit dem berühmt gewordenen Monogramm zu kennzeichnen, war der erste Nürnberger Künstler, der das Geschaffene konsequent signierte. "Vorher haben sich die meisten Künstler dieser Zeit eher als Handwerker und Dienstleiter verstanden", meint Sturm. Bis zum Abschluss ihrer Doktorarbeit wolle sie versuchen, das Geheimnis des Unbekannten zu lüften.

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