Frau Münderlein, was bieten evangelische Kitas den Familien?

Münderlein: Evangelische Kitas sind ein Raum, in dem Kinder wachsen können und Eltern gestärkt werden. Kinder finden dort einen Ort, an dem sie – nach unserer theologischen Überzeugung – als einzigartige Wesen geschätzt werden. Zu jedem Kind wird eine Beziehung aufgebaut – durch die Art, wie es am Morgen begrüßt wird, wie es seinen Geburtstag feiern, wie es Gemeinschaft erlebt. Diese Beziehungsarbeit wird durch kirchliche Feste, Rituale und biblische Geschichten ergänzt – das gibt den Kindern Orientierung und einen Rhythmus. Der Tagesablauf ist in unseren Kitas natürlich geprägt von Bewegung, Erlebnis, Action – aber wir lassen die Kinder auch zur Ruhe kommen, etwa wenn sie eine Kerze anzünden, wenn wir miteinander singen oder beten.

Gibt es bei der Glaubensvermittlung »Standards«, die man in allen evangelischen Kitas findet?

Münderlein: Es gibt natürlich Leitlinien, die für alle gelten. Dennoch sollte man, wenn möglich, die Kita selbst besuchen und schauen, ob es sich dort für einen gut anfühlt. Religiöse Erziehung ist kein Dogma, das über unserer Arbeit schwebt. Stattdessen soll die Liebe Gottes in unseren Kitas durch den zwischenmenschlichen Umgang spürbar werden. Als Standard könnte man die Feier der kirchlichen Feste im Jahreslauf bezeichnen – und die gute Gestaltung von Übergängen, sei es bei der Eingewöhnung oder beim Übertritt in die Schule.

Kitaplätze sind ein rares Gut. Haben Sie den Eindruck, dass die Eltern sich bewusst für eine evangelische Kita entscheiden oder das Evangelische nur in Kauf nehmen?

Münderlein: Wir haben bayernweit 92 000 Kinder in unseren Einrichtungen, da ist das schwer zu sagen. Ich glaube, dass Eltern sich meistens bewusst für eine bestimmte Kita entscheiden. Für viele – übrigens auch für unsere muslimischen Familien – spielt die religiöse Dimension eine Rolle. Das ist eine riesige Chance für Kirche! Kleine Kinder zu haben ist eine Lebensphase, in der Menschen sehr berührbar sind. Aus Studien wissen wir, dass Eltern – auch wenn sie nicht oder nicht mehr glaubensnah sind – das Bedürfnis haben, ihren Kindern »mehr« mitzugeben. Durch das Wunder der Geburt erfahren sie eine neue Dimension von Leben – gefolgt von Erfahrungen des Scheiterns, wenn das Kind nicht schläft oder es mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht so klappt, wie man sich das vorgestellt hat. Als evangelische Kitas wollen wir ein Ort sein, um diese Lebensphase – auch seelsorgerlich – zu begleiten. Deshalb sind Kitas explizit Orte von Kirche. Bei diakonischen Einrichtungen kooperieren wir oft mit den Kirchengemeinden vor Ort.

Wie viele »Ihrer« Kinder sind evangelisch, wie viele konfessionslos oder anderen Glaubens?

Münderlein: Darüber führen wir als Dachverband keine Statistik. Wir wissen aber aus Erhebungen, dass nicht-getaufte Kinder häufig für den evangelischen Religionsunterricht angemeldet werden. Viele Eltern geben zur Begründung »gute Erfahrung aus evangelischer Kita« an. Wie also kann man die Beziehungen, die im Kindergarten zu Glauben und zu Kirche entstehen, fortführen? Die Gemeinden könnten überlegen, was man den Familien nach der Kita anbieten kann: Familienbildung, Kinderfreizeiten? Da müssten sich die Akteure besser verzahnen.

Allerdings gehört Kita-Arbeit nicht unbedingt zur kirchlichen DNA, ihr großes Potenzial wird noch zu wenig gesehen. Dabei bieten Kitas uns einen Querschnitts-Blick auf die Bedürfnisse einer Stadtteil-Gesellschaft, wie wir ihn in Kirche selten haben.

Wenn Kirche sich also vornimmt, künftig wieder mehr in die Gesellschaft hineinzugehen, dann wäre es schon ein guter Anfang, wenn sie sich gut um ihre Kitas kümmert.

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