Eine riesige Schule ist die Friedrich-Rückert-Grundschule im unterfränkischen Schweinfurt nun nicht gerade. Ungefähr 220 Schülerinnen und Schüler werden dort von rund 20 Lehrkräften unterrichtet, sagt Rektorin Sabrina Neckov bei einer Pressekonferenz des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV) in München.

Lehrkräftemangel: "Brauchen mehr Köpfe"

Und doch steht ihre Schule ganz beispielhaft für ein bayernweites Problem: den Lehrkräftemangel. Denn mit dem vom Kultusministerium bereitgestellten Personal kommt die Schulleiterin schlichtweg nicht hin.

"Wir sind kein Einzelfall, wir brauchen dringend mehr Köpfe", sagt sie.

BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann hatte zuvor bei der Pressekonferenz ein erschreckendes Bild von der Lehrkräfteversorgung an den bayerischen Schulen gezeichnet. Sie schilderte anhand statistischer Daten der fünften und sechsten Kalenderwoche aus 13 Schulen verschiedener Schularten im ganzen Freistaat, wie viele Unterrichtsstunden wegen Lehrkräftemangels ersatzlos ausfallen mussten oder nicht regulär gegeben werden konnten.

Während amtliche Statistiken des Kultusministeriums seit Jahren ein anderes - oder vielmehr: ein schöngefärbtes - Bild zeichneten, zeige dieser punktuelle Einblick die Realität, betont Fleischmann.

Nach den offiziellen Statistiken fallen bayernweit nur 0,9 Prozent aller Unterrichtsstunden ersatzlos aus. Der Schnitt aus den 13 exemplarisch ausgewählten Schulen lag allerdings bei 8,3 Prozent. Die BLLV-Präsidentin sagt, sie werde daraus nun keine bayernweite Hochrechnung erstellen. Fakt aber sei, dass dieser Einblick in den Alltag der 13 Schulen ein realistischerer sei als amtliche Statistiken. Denn zum ersatzlos ausgefallenen Unterricht werde nicht hinzugezählt, wenn Klassen zusammengelegt oder von fachlich nicht oder nur teilweise qualifizierten Kräften übernommen werden: "Da findet ja dann auch kein regulärer Unterricht statt."

Lehrkräfte an der Grenze der Belastbarkeit

Damit es dazu dann doch nicht so oft kommt, reiben sich die Lehrerinnen und Lehrer an der Friedrich-Rückert-Grundschule regelrecht auf und gehen regelmäßig über die Grenze der Belastbarkeit.

"Eine Lehrerin hat sich sechs Wochen lang mit Bronchitis und verschleppter Lungenentzündung täglich in die Schule geschleppt", berichtet Rektorin Neckov.

Eine schwierige Situation auch für das Leitungspersonal. Denn eine kranke Lehrerin gehört natürlich nicht in die Schule. Aber wenn sie fehlt, gibt es keinen ebenbürtigen Ersatz. Klassen müssten dann zusammengelegt oder von nicht ausgebildeten Kräften zumindest irgendwie betreut werden.

"Der Anspruch aller Kolleginnen und Kollegen an meiner Schule ist: Sie wollen guten Unterreicht machen, für ihre Schülerinnen und Schüler da sein und nicht nur Arbeitsblätter austeilen", sagt Neckov.

Das sei aber gerade an ihrer Schule besonders kräftezehrend: "Wir haben aktuell einen Migrationsanteil von 95 Prozent." Von den 23 Schülerinnen und Schülern einer letztjährigen ersten Klasse hätten 15 zur Einschulung "kein Wort Deutsch" gesprochen. Lehrkräfte an solchen Schulen seien "mehr als Wissensvermittler", sie seien auch Sozialarbeiter und Psychologe:

"Alleine kann man das nicht leisten, ohne daran kaputtzugehen", betont die Rektorin.

Fleischmann sagt, solche Situationen seien "kein Einzelfall", es müsse nun "Schluss mit Lustig, Schluss mit Schnellschüssen, Schluss mit Polemik" sein. Die Schulen brauchen für das zweite Schulhalbjahr realistische, professionelle politische Ansagen.

Weniger hilfreich seien Aussagen wie die von Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler), dass als Konsequenz aus den schlechten Pisa-Resultaten an Bayerns Grundschulen künftig mehr Deutsch und Mathe unterrichtet werden soll. Fakt aber sei, dass aktuell wegen des Lehrkräftemangels regelmäßig zahlreiche Differenzierungs- und Intensivierungsstunden in den Kernfächern ausfallen.

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