Mit der Überschrift "Wenn niemand guten Morgen sagt" bietet das Altersforum der evangelischen Kirche in Bayern ein Seminar über Einsamkeit an. Susanne Bücker, Professorin für Entwicklungspsychologie an der Universität Witten/Herdecke weist darauf hin, dass Einsamkeit nicht nur bei 15 Prozent der älteren Menschen chronisch ist, sondern bei einem genauso großen Anteil der 18- bis 29-Jährigen. Bücker ist eine der Referentinnen des Online-Seminars zu Einsamkeit, Alleinsein und Würde.

"Wenn der mürrische Nachbar nicht grüßt, werden negative Erwartungen bestätigt."

Frau Bücker, Einsamkeit ist schlimm, kann sogar zu schweren Krankheiten führen. Aber wie wird man einsam, indem man sich zurückzieht, oder weil die anonyme Gesellschaft jemand ausgrenzt?

Susanne Bücker: Menschen, die sich einsam fühlen, haben einen natürlichen Rückzugsimpuls. Es passiert also das Gegenteil von dem, was gut wäre, sich nämlich Gesellschaft zu suchen. In der Zeit denkt man darüber nach, was einem guttun würde und was nicht - und eine solche emotionale Klärung ist sinnvoll.

Menschen kommen da aber nicht mehr raus, verlieren die Übung, sich Kontakt zu suchen, erleben subjektive Ablehnung. Wenn der mürrische Nachbar nicht grüßt, werden negative Erwartungen bestätigt. Man hat gleichermaßen eine dunkle Brille auf.

Kann ich denn in dieser ersten Phase einen Freund, einen Verwandten oder eine Kollegin noch erwischen, damit er oder sie nicht ganz in die Einsamkeitsgefühle abtaucht?

Man sollte hartnäckig, freundlich dranbleiben. Sie könnten dem Betroffenen anbieten, ihn zu einer Aktivität abzuholen oder wieder nach Hause zu bringen. Zunächst fallen den Angesprochenen noch Ausreden ein, warum sie eine Einladung ablehnen.

Wenn man ihnen aber signalisiert, "wir hätten dich aber trotzdem gerne dabei", korrigiert das vielleicht negative Erfahrungen und die Person merkt, "es interessiert sich ja tatsächlich jemand für mich". Allerdings ist dies für denjenigen, der den Kontakt sucht und abgewiesen wird, eine schwierige Situation. Da braucht man eine dicke Haut.

"In der jungen Generation dominiert häufig das Gefühl, dass soziale Interaktionen unter die Haut gehen müssen."

Ältere Menschen bezeichnen sich oft als einsam, wenn der Partner oder die Partnerin gestorben ist oder wenn keine Kinder da sind, aber junge Leute: warum sind die einsam?

Bei jüngeren Erwachsenen, die unter Einsamkeit leiden, wissen wir, dass sie zwar soziale Kontakte haben, aber häufig den Eindruck, dass die anderen sie nicht verstehen. In der jungen Generation dominiert häufig das Gefühl, dass soziale Interaktionen unter die Haut gehen müssen. Wenn sie das nicht tun, wenden sich diese Menschen von anderen ab. In der Beratung fragen wir sie dann, wie realistisch das denn eigentlich ist, dass es keine oberflächlichen Kontakte mehr gibt.

Ist denn Einsamkeit noch ein Tabu, spricht man darüber?

Es fällt allen Menschen schwer, zu sagen, dass sie einsam sind. Die ältere Generation ist wegen des höheren Alters ja oft aus objektiven Gründen einsam, aber über psychische Probleme spricht man nicht so gern an. Vielleicht wird es meiner Generation, wenn sie in 40 Jahren alt ist, leichter fallen, über die eigene Psyche zu reden.

"Menschen, die chronisch einsam sind, neigen häufiger dazu, Verschwörungstheorien zu glauben."

Medizinische Forschungen haben ja ergeben, dass einsame Menschen krank werden können. Gibt es denn auch gesellschaftliche Folgen von Einsamkeit?

Es ist empirisch nachgewiesen, dass Menschen, die chronisch einsam sind, häufiger dazu neigen, Verschwörungstheorien zu glauben und sich antidemokratischen Tendenzen anschließen. Gerade auch aus solchen Gründen ist es wichtig, Wege heraus aus der Einsamkeit zu suchen.

 

Anmeldung zum Seminar

Das Online-Seminar wird vom Amt für Gemeindedienst veranstaltet, hier geht es zur Anmeldung.

Donnerstag, 8. Februar 2024
Beginn: 10:00 Uhr
Ende: 15:30 Uhr

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