Die Demokratie hat gegenüber rechtspopulistischen Positionen mit überkommenen Geschlechter- und Familienbildern "starke Mittel, um am Kurs der Gleichberechtigung festzuhalten", ist Sabina Schutter, Vorstandsvorsitzende von SOS-Kinderdorf, überzeugt.

Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) zum Weltfrauentag am 8. März sagte die Expertin für Geschlecht, Kindheit und Kinderschutz, das Ziel müsse bleiben, sich für Frauenrechte starkzumachen, "dann ist die Gefahr solcher Bewegungen auch nicht so groß". Schutter verwies auf Frankreich, das kurz zuvor das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche in der Verfassung verankert hat.

Gewalt in Partnerschaften

Auf dem Weg zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern sieht Schutter zugleich Fortschritte, aber auch Stillstand. Besonders erschreckend sei für sie das hohe Gewaltaufkommen gegen Frauen, vor allem in Partnerschaften.

"Wie selbstverständlich es immer noch hingenommen wird, dass Frauen Mordversuchen und gewalttätigen Übergriffen von ihren Partnern ausgesetzt sind. Da sind wir noch nicht weiter."

In vielen Köpfen sei das Patriarchat noch fest verankert. Auch wenn viele Gleichberechtigungsmaßnahmen und Entwicklungen schon Erfolge zeigten, gebe es immer wieder viel Widerstand. Vielfach seien Ängste mit Gleichberechtigung verbunden, weil diese auch einen großen gesellschaftlichen Wandel mit sich bringe.

Langfristig zahle es sich aber aus, "denn Gleichberechtigung bedeutet ja nicht nur mehr Chancen für Frauen, sondern auch mehr Chancen und Vielfalt für Männer", sagte die Pädagogik-Professorin.

Es muss auch von sich selbst heraus kommen

Das Problem an der aktuellen gesellschaftlichen Lage ist in den Augen von Schutter, dass es viele Instrumente gebe, die zum Beispiel die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen sollen, wie die Elternzeit.

"Das führt aber mitunter dazu, dass sich Frauen wieder schwächen, weil sie diese Instrumente in Anspruch nehmen, Männer aber nicht."

Schutter plädiert dafür, dass es einerseits Instrumente für Gleichberechtigung geben soll, wie Quoten in Leitungspositionen. "Der andere Teil muss aber von sich selbst heraus kommen, dass Frauen Chancen ergreifen und auch Konflikte eingehen, denn bei der Gleichberechtigung geht es auch um Ressourcen."

Mädchen zeigen, wie gesunde Beziehungen funktionieren

Damit auch Mädchen, die aus sozial benachteiligten Verhältnissen kommen, zu selbstbestimmten Frauen heranwachsen können, brauchen sie laut Schutter Unterstützung. Ein solches Projekt von SOS-Kinderdorf sei "Mädchenperspektiven".

"Mädchen in der Kinder- und Jugendhilfe haben häufig in ihrer Herkunftsfamilie wenig gleichberechtigte und wenig gesunde Beziehungsmuster erlebt, dafür aber oft Gewalt durch den Vater gegenüber der Mutter. Das kann dazu führen, dass sie als Erwachsene diese Beziehungskonzepte wiederholen."

Man wolle mit dem Projekt möglichst früh Perspektiven aufzeigen, wie eine gesunde Beziehung aussehen kann und bei den Mädchen Überlegungen anregen, wie sie sich ein Familienleben vorstellen.

Chefin statt Sozialarbeiterin?

Ein wichtiger Faktor sei auch, Mädchen vielfältige berufliche Perspektiven aufzuzeigen.

"Wenn ich gerne mit Menschen zu tun habe, könnte Sozialarbeiterin der richtige Beruf für mich sein, aber es kann auch sein, dass ich eine gute Chefin wäre. Nur weil ich ein sozialer Mensch bin, muss ich nicht unbedingt auch einen Beruf im Sozialwesen ausüben."

Ein großer Punkt dabei seien weibliche Vorbilder in technischen oder handwerklichen Berufen und Mentoringprogramme.

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