In Deutschland herrscht Fachkräftemangel. Bäcker oder Metzger schließen mangels Personal mancherorts schon mittags. Handwerker haben volle Auftragsbücher, aber keine Angestellten. Erzieherinnen und Altenpfleger haben freie Wahl beim Arbeitgeber.

Dennoch leistet sich Deutschland laut Bundeszentrale für politische Bildung jedes Jahr über 40.000 junge Erwachsene, die die Schule ohne Abschluss – und somit ohne gute Ausbildungsperspektive – verlassen.

Dagegen würden unter anderem mehr individuelle Förderung, kleinere Klassen, mehr Zeit und Aufmerksamkeit für Schülerinnen und Schüler helfen. Doch all das fällt wiederum einem seit Jahren gezüchteten Fachkräftemangel zum Opfer: Es gibt in Deutschland viel zu wenige Lehrerinnen und Lehrer.

Fieberhafte Jagd nach Patentlösungen gegen den Lehrermangel

Seit die Kultusministerien den Ernst der Lage erkannt haben – also in Bayern im Juli 2022 –, ist eine fieberhafte Jagd nach Patentlösungen ausgebrochen. Was alle machen: Programme für Quereinsteiger, die mutig genug sind, sich nach einem zweijährigen Pädagogik-Crashkurs vor eine 7. Klasse Mittelschule zu stellen.

Was (nur) Bayerns Ministerpräsident Söder macht: Mit Lockangeboten Pädagogen aus anderen Bundesländern abwerben. Was die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK), das Beratergremium der deutschen Kultusminister, macht: Vorschläge, die bei den Lehrkräften ungefähr so gut ankommen wie ein Halbstarker mit Ghettoblaster und Klappmesser.

Zum Beispiel die Idee, die Staatsdiener länger und mehr arbeiten zu lassen sowie die Teilzeit-Möglichkeiten zu beschränken. Mit Verlaub: Die meisten der 700 000 Teilzeitlehrer, die nicht im Zweitjob Kinder erziehen oder Angehörige pflegen, haben wahrscheinlich ihre Stunden reduziert, weil die Arbeitsbelastung in Vollzeit für sie nicht tragbar ist. Ob man sie mit der Aussicht auf noch mehr Belastung gewinnen wird?

Siutation ist sehr ernst

Die Situation ist zu ernst, als dass man lang verzweifeln dürfte. Kinder brauchen gute Schulen mit motivierten Lehrkräften, damit sie im Leben Perspektiven haben – und die Gesellschaft später genügend Fachkräfte.

Wer hat den Mut, Lehrpläne zu verschlanken, damit mehr Luft ist für alle aktuellen Fragen, die an den Schulen aufschlagen? Wer schafft und bezahlt interdisziplinäre Teams, die den Lehrkräften mehr Freiheit für den Unterricht ermöglichen? Wer betreut Quereinsteiger so, dass sie schnell Sicherheit in ihrem neuen Job gewinnen? Wer digitalisiert den Schulbereich auf eine Weise, die Lehrkräfte wirklich entlastet und für Schüler sogar ein Gewinn ist?

Vielleicht stockt ja der ein oder andere Teilzeitmensch gern wieder auf, wenn er nicht immer schon dienstags so ein Freitagsgefühl hat.

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