Russland ist in der Charme-Offensive. Schon drei Reisen auf den afrikanischen Kontinent hat Außenminister Sergej Lawrow in diesem Jahr unternommen. Ende Juli steht der zweite Russland-Afrika-Gipfel in St. Petersburg an. Die afrikanischen Länder bilden den größten Block bei den vereinten Nationen. Es gehe um eine "grundlegend neue Ebene einer für beide Seiten vorteilhaften Partnerschaft", heißt es auf der Website.

Doch wie viele afrikanische Staats- und Regierungschef kommen, sei unklar, sagt Politikberater Noah Midamba. Der Analyst von der Denkfabrik "Global Center for Policy and Strategy" in Nairobi glaubt, dass der gescheiterte Aufstand der Wagner-Söldner Ende Juni ein Wendepunkt war. Die Rebellion habe gezeigt, dass Präsident Wladimir Putin geschwächt sei, und ihn als Lügner entlarvt.

Russland hatte guten Ruf in Afrika – bisher

Bisher hatte Russland in vielen afrikanischen Ländern einen guten Ruf. Das Land gilt als Nachfolger der Sowjetunion, die viele Länder Afrikas in ihren Unabhängigkeitskämpfen unterstützt hat. Derweil verbindet viele Staaten mit Frankreich und Großbritannien eine jahrhundertelange Geschichte der Ausbeutung und Unterdrückung seit der Kolonialzeit.

Ein wichtiges Werkzeug für den Ausbau des russischen Einflusses in afrikanischen Ländern wie Mali und der Zentralafrikanischen Republik war zuletzt die Präsenz von Sicherheitskräften des Wagner-Konzerns. So hätten die Wagner-Truppen etwa antifranzösische Narrative bestärkt, sagt Afrika-Experte Charles Bouessel. Der Berater der Denkfabrik "Crisis Group" geht davon aus, dass Wagner nach dem Aufstand wahrscheinlich durch eine andere private Militärfirma ersetzt wird, die dem Kreml nahesteht.

Afrikanischer Länder spüren Folgen des Ukraine-Kriegs

Derweil spüren viele afrikanische Länder die weltweiten Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, etwa die extremen Preissteigerungen bei Lebensmitteln. Zusätzlich erschweren Sanktionen der westlichen Länder den Handel mit Russland. Viele Staats- und Regierungschefs haben deshalb großes Interesse an einem Ende des Krieges. Mitte Juni hatte eine Delegation afrikanischer Präsidenten rund um Südafrikas Staatschef Cyril Ramaphosa sowohl in Russland als auch der Ukraine für Friedensverhandlungen geworben. Wie auch andere Initiativen blieben die Bemühungen ohne Erfolg.

Schon vor Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine hatte sich die Rhetorik zwischen Russland und westlichen Staaten verschärft. Damit wird auch die Suche nach Verbündeten für beide Seiten wichtiger. "Da ist ein Geschmack des Kalten Krieges", sagt Bouessel.

Politikberater: Internationales System "extrem instabil"

Politikberater Midamba sagt, das internationale System sei inzwischen extrem instabil und müsse sich neu sortieren. Die demokratischen Länder, die auf dem afrikanischen Kontinent in der Mehrheit seien, ließen sich nicht weiter vor den Karren spannen. Das gelte sowohl für die Zusammenarbeit mit den westlichen Regierungen, als auch für die Kooperation mit China oder eben Russland. Außer alten Waffen habe Russland zumindest den afrikanischen Demokratien nicht viel zu bieten.

Im Oktober 2019 hatte Putin zum ersten Russland-Afrika Gipfel in Sotschi eingeladen. 45 Staats- und Regierungschefs und mehr als 100 Ministerinnen und Minister folgten damals der Einladung. Wie viele Staatsoberhäupter der Einladung in diesem Jahr folgen, wird sich zeigen.

Senegals Präsident Macky Sall sagte in einem Interview mit der "Financial Times", dass Putin vor dem Gipfel zeigen müsse, dass er an einer Verbesserung der Situation in der Ukraine interessiert sei. Er wolle den Gipfel nutzen, um weiter für diplomatische Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine zu werben - auch damit in Zukunft die Ernährungssicherheit vieler Länder nicht weiter gefährdet werde.

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