Die Telefone des neuen bayerischen Krisentelefons für "seelische Erste Hilfe" standen im vergangenen Jahr selten still. Insgesamt 54.000 Telefonate, also etwa 150 pro Tag, hätten die Beraterinnen und Berater in den sieben Leitstellen im Freistaat mit Hilfesuchenden geführt, sagte der Präsident des Bayerischen Bezirketags, Franz Löffler (CSU), dem Sonntagsblatt anlässlich des einjährigen Bestehens.

Unter der Rufnummer 0800/6553000 können sich Menschen in seelischen Krisen sowie ihre Angehörigen seit Juli 2021 bayernweit, niedrigschwellig und kostenlos rund um die Uhr Hilfe holen.

Depressionen, Ängste, Psychosen

Die häufigsten Gründe für Anrufe bei dem Netzwerk aus sieben eigenständigen regionalen Krisendiensten, das von den bayerischen Bezirken und vom Freistaat organisiert und finanziert wird, waren depressive Verstimmungen, Ängste, Psychosen wie Wahnzustände und familiäre Belastungen, zählte Löffler auf.

Bei jedem zehnten Anruf habe es Hinweise auf Selbstgefährdung gegeben. Das Fachpersonal leiste "Erste Hilfe für die Seele" und nenne den Anrufenden bei Bedarf andere Hilfsangebote in der Nähe. In dringenden Fällen kommen mobile Teams nach Hause.

Auch Folgen der Pandemie spielen eine Rolle

Sorge um die Gesundheit, Einsamkeit oder die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie hätten "immer mal wieder" eine Rolle im Beratungsalltag gespielt: Oft seien diese aber einer von mehreren Belastungsfaktoren im Rahmen einer Krise gewesen, sagte Löffler, der auch Bezirkstatsgpräsident der Oberpfalz ist.

Auch der Krieg in der Ukraine habe bei manchem Anrufer dazu geführt, dass Erinnerungen an frühere erlittene Traumata wieder hochgekommen seien. "Er führte jedoch nicht zu einem sprunghaften Anstieg der Telefonate", sagte der Präsident des bayerischen Bezirketags.

Rund um die Uhr erreichbar

Der Dienst war im März 2021 gestartet, seit Juli letzten Jahres bietet er Ansprechpartner zu jeder Tages- und Nachtzeit. "Mit der Erreichbarkeit rund um die Uhr schließen wir eine wichtige Lücke im Versorgungssystem", sagte Löffler. Früher seien Menschen in einer akuten psychischen Krise oft vor der schwierigen Entscheidung gestanden, an wen sie sich wenden können und wer gerade Zeit für sie habe.

Löffler:

"Jetzt kann ich allen Betroffenen sagen: Egal ob zwei Uhr nachmittags oder zwei Uhr nachts - ein Anruf reicht und Sie werden von erfahrenen Fachkräften unterstützt."

Auch der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) findet, "dass es richtig war, die Erreichbarkeit auszubauen":

"Psychische Krisen und Erkrankungen sind ausgesprochen häufig und kommen in jedem Lebensalter vor."

Die Menschen bräuchten im Bedarfsfall unmittelbar Unterstützung. Mit den rund um die Uhr erreichbaren Krisendiensten setzten der Freistaat und die Bezirke einen zentralen Auftrag des Bayerischen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes um. Bei Bedarf könnten mobile Einsatzteams innerhalb einer Stunde bei den Hilfesuchenden zuhause sein, sagte Holetschek.