Gute Vorsätze zum neuen Jahr sind eine gute Sache, solange sie nicht in einen Wahn nach Selbstoptimierung ausarten: Darin sind sich Tarek Badawia, Professor für Islamisch-Religiöse Studien an der Universität Erlangen-Nürnberg, und Pfarrerin Barbara Hauck von der Cityseelsorge St. Jakob einig.

Wenn Videos oder Magazinartikel versprechen, dass man in zehn Minuten oder mit fünf Tipps sein Leben verändern könne, sei das heuchlerisch, sagte Badawia  beim "Forum Christen-Muslime" im Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg. Es gebe Menschen das Gefühl, dass sie nicht genug seien.

Grenzen und Verletzlichkeit akzeptieren

Für sie gehe es bei Vorsätzen um einen Perspektivwechsel, sagte Hauck. In Seelsorgegesprächen rate sie Menschen immer wieder, auf ihre eigenen Ressourcen zu achten und darauf, was sie damit umsetzen können.

"Wir müssen nicht alles perfekt machen, sondern auch unsere Grenzen und Verletzlichkeit akzeptieren",

sagte die Pfarrerin. So akzeptiere uns auch Gott. Durch das Erfahren der göttlichen Vergebung könne der Mensch entlastet sein. Gute Vorsätze seien nicht dazu da, perfekt zu werden, sondern könnten dabei helfen, "anders, staunender, offener in dieses Jahr zu gehen und den Moment des Lebens bewusster wahrzunehmen". Ihr Tipp für einen guten Vorsatz sei, jeden Tag aufmerksam zu sein und kleine Freudenmomente zu sammeln.

Zeit ist von Gott geschenkt

Badawia wies darauf hin, dass dem Menschen die Zeit von Gott geschenkt sei. Im Islam gebe es wiederkehrende Rituale und Zeiträume, wie den Fastenmonat Ramadan, auf die man sich einstellen könne und die zu einer Entschleunigung beitragen können. Die islamische Theologie sei nah am Menschen orientiert und wolle ihn nicht überfordern. Der Mensch solle danach streben, "das höchstmögliche am besten zu erreichen". Das bedeute das zu schaffen, was mit den eigenen Voraussetzungen möglich ist. Das muslimische Menschenbild erlaube es aber auch, Auszeiten zu nehmen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.

Auf die Sorge, dass man das, was man sich vorgenommen hat, nicht gleich erreichen kann, antworte der Prophet Mohammed:

"Macht es euch nicht so schwer. Macht es mal eine Stunde so und eine Stunde so."

Dieses Prinzip könne die Hoffnung geben, "dass man sich allen Bereichen des Lebens mit voller Hingabe widmen kann, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben", sagte der Wissenschaftler. Auch mit Blick auf das Weltgeschehen und die Sorgen, die daraus entstehen, solle man sich immer wieder auf das konzentrieren, was man selbst leisten kann.

Das "Forum Christen-Muslime" ist eine Kooperation zwischen der Katholischen Stadtakademie Caritas-Pirckheimer-Haus, der Evangelischen Stadtakademie Nürnberg, dem Begegnungszentrum Brücke-Köprü und dem Muslimischen Bildungswerk Bayern.

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden