Wer sich mit dem aktuellen Konflikt in Israel und Palästina beschäftigt und im jüdisch-christlich-muslimischen Dialog unterwegs ist, stößt immer wieder auf Fachbegriffe. Unsere kurze Übersicht bietet einen ersten Einstieg.

Antijudaismus

Der Begriff Antijudaismus bezeichnet die Judenfeindschaft aus religiösen Motiven. Antijudaismus durchzog die Kirchengeschichte seit ihren Anfängen und geht auf die konflikthafte Ablösung der frühen Christ*innen oder auch Jesusgläubigen vom Judentum zurück. Dieser Vorwurf war die Grundlage des christlichen Antijudaismus. Zudem stellten die (frühen) Christen den Rangs der Juden als auserwähltes Volk Gottes in Frage. Jesus aus Nazaret selbst war Jude. Die ihm nachfolgenden Menschen waren Anhänger *innen der Jesusbewegung und sogenannte Christusgläubige. Negative Aussagen über das Volk Israel oder "die Juden" im Neuen Testament werden als Antijudaismus bezeichnet.

Im Neuen Testament selbst gibt es pauschale Ablehnung des Judentums, aber auch innerjüdische Polemik der Christusgläubigen gegen andere nicht-christusgläubige Juden. In der theologischen Forschung ist sehr umstritten, ob es sich um eine Ablehnung des Judentum oder um eine Judenfeindlichkeit im Sinne des Antijudaismus im Neuen Testament handelt. Die Wirkungsgeschichte der als antijüdisch interpretierten Stellen des Neuen Testaments waren fatal. Denn diese religiös fundierte Ablehnung des Judentums wurde in der mittelalterlichen Kirchenpolitik weitergeführt und mündete in den neuzeitlichen Antisemitismus.

Antisemitismus

Mit dem Begriff Antisemitismus werden alle historischen Erscheinungsformen der Judenfeindschaft und Judenhasses bezeichnet. Antisemitismus ist nicht nur eine Art von Xenophobie, sondern eine antimoderne Weltanschauung, in der Juden das Übel der Welt sind. 1879 prägte der Journalist Wilhelm Marr nach der rechtlichen Gleichstellung der Juden im deutschen Kaiserreich den Begriff Antisemitismus für eine rassistisch statt religiös begründete Judenfeindschaft. Juden sollten nun kollektiviert nicht mehr primär über ihre Religion definiert werden, sondern als Volk, Nation oder Rasse. Allerdings ist der Begriff irreführend, denn er bezieht sich auf die semitische Sprachfamilie. Neben dem Hebräischen gehört aber auch Arabisch und Äthiopisch dazu.

Eine einheitliche, allgemeinverbindliche Definition von Antisemitismus existiert nicht. Der klassische Antisemitismus bezieht sich auf Jüdinnen und Juden als eine soziale Gruppe. Der Begriff "Antisemitismus" sollte jedoch damals wie heute alle Formen der Judenfeindschaft und Judenhasses kennzeichnen. Vier Formen des Antisemitismus werden dabei in der Forschung unterschieden: 1. Der christlichen Antijudaismus seit der Spätantike, 2. der neuzeitliche (soziale) Antisemitismus seit der Aufklärung sowie den Rassenantisemitismus in der Zeit des Nationalsozialismus 3. der Post-Holocaust-Antisemitismus seit 1945 und 4. der Israel bezogenen oder antizionistischen Antisemitismus seit 1948.

Heute versteht man unter Antisemitismus eine rassistische Grundeinstellung - die nicht nur in extremistischen Kreisen anzutreffen ist. In Deutschland werden rund drei antisemitisch motivierte Straftaten pro Tag erfasst, doch vermutlich ist die Dunkelziffer weit höher. Jüdische Personen werden angegriffen, Einrichtungen müssen geschützt werden. Die Evangelische Kirche in Deutschland erklärt klar und unmissverständlich: Christlicher Glaube und Judenfeindschaft schließen einander aus.

Philosemitismus

Unter dem Begriff von "Philosemitismus" versteht man die Menschen, die Juden besonders unterstützen und verehren. Der Begriff des "Philosemitismus" entstand im 19. Jahrhundert. Damals nutzte der konservative Historiker Heinrich von Treitschke den Begriff in einem Aufsatz als Kampfbegriff, mit dem er die Linksliberalen als "Judenfreunde" bezeichnete. Er formulierte damals den Satz:  "Die Juden sind unser Unglück". Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ein "demonstrativer Philosemitismus" dafür genutzt, sich von den NS-Verbrechen reinzuwaschen und den tief verwurzelten Antisemitismus nicht in Frage zu stellen. Das Phänomen des Philosemitismus wird in diesem Beitrag von Deutschlandfunk näher erläutert.

Zionismus

Der Begriff des Zionismus wird in verschiedenen Weisen genutzt. Einerseits steht er häufig in Zusammenhang mit der Befreiungsbewegung des jüdischen Volkes. Andererseits wird er auch verbunden mit Kolonialismus und Imperialismus. Über die politische Bewegung des Zionismus hat die Bundeszentrale für Politische Bildung einen ausführlichen Beitrag verfasst, der sich hier findet.

Als Spielart des Philosemitismus bezeichnet der Judaist Goetze den christlichen Zionismus. Vertreten wird diese Haltung vor allem in christlich-evangelikalen Kreisen. Diese sehen den Staat Israel in Kontinuität zum biblischen Israel und die Rückkehr der Juden nach Jerusalem für den Beginn der Endzeit, in dem auch Christi wieder erscheinen wird. Diese Gruppierungen unterstützen deshalb uneingeschränkt die Siedlungspolitik des Staates Israel.

Weiterführende Informationen zu Begriffen

Der Judaist Andreas Goetze hat viele Jahre bei der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) gearbeitet. Sein Überblick zu den Begriffen und damit verbundenen politischen und konfessionellen Problemen ist hier nachzulesen.
 

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