Synodenpräsidentin Annekathrin Preidel räumt im Gespräch ein, dass man sich derzeit in einem "merkwürdigen Zwischenraum" bewege, der sich nicht behaglich anfühle. Trotz aller Widrigkeiten sei das Kirchenparlament in der Corona-Krise aber immer handlungsfähig. Denn nach Kirchenrecht bleibt die alte Synode so lange im Amt, bis sich die neue konstituiert hat. Dennoch müsse die neue Synode sich baldmöglichst konstituieren, damit die gewählten und berufenen Synodalen endlich ihre Arbeit aufnehmen können.

Die konstituierende Sitzung der neuen Landessynode steht noch aus, die kommende Sitzung würde im November stattfinden. Doch planen lässt sich in Corona-Zeiten recht wenig. Wie gehen Sie damit um?

Annekathrin Preidel: Natürlich laufen die Planungen auf Hochtouren. Aber der Landesbischof, der für die Einberufung der neuen Landessynode zuständig ist, weiß natürlich wie wir alle, dass jeder Plan A derzeit durch einen Plan B abgesichert werden muss. Niemand kann verlässlich sagen, wie sich die Bedrohung durch das Virus entwickelt und welche politischen Maßnahmen in der Folge ergriffen werden.

Drei Dinge sind wichtig. Erstens: Die Konstituierung der neuen Landessynode muss so bald wie möglich vollzogen werden. Zweitens: Die Kirche muss im Zusammenspiel der kirchenleitenden Organe handlungsfähig bleiben. Drittens: Die noch nicht verpflichteten neuen Synodalen müssen gut in die synodale Arbeit eingebunden und über die Arbeit der bisherigen Synode informiert werden.

Wie organisiert sich die Synode derzeit?

Preidel: Digitale Formate sind mittlerweile an der Tagesordnung, was die Sitzungen des Landessynodalausschusses anbelangt. Und es ist auch ein Austausch per Videokonferenz der neuen Synodalen für Anfang Juli geplant. Wir haben jedenfalls beides auf dem Schirm: Zusammenkünfte via Internet und Präsenzsitzungen. Allerdings hatte die Staatsregierung bis Ende Mai noch kein grünes Licht für Treffen ehrenamtlicher kirchlicher Leitungsorgane gegeben.

In einer Krise tritt vor allem die Exekutive, also der Landeskirchenrat, in Erscheinung. War die Synode in die Prozesse und Entscheidungen ausreichend eingebunden?

Preidel: Zu keinem Zeitpunkt waren die Beteiligungsrechte der Landessynode an der Kirchenleitung in Gefahr.

Die Rechtslage ist in dieser Übergangssituation eindeutig: Nach Artikel 46 Absatz 1 der Kirchenverfassung bleibt die alte Synode solange im Amt, bis sich die neue konstituiert hat.

Dies gilt dementsprechend auch für das Präsidium und die Ausschüsse der Landessynode sowie für den Landessynodalausschuss, der die Aufgaben der Landessynode zwischen den Synodaltagungen übernimmt.

Die Landessynode war also während der gesamten Zeit handlungsfähig. Durch Rundbriefe aus den Sitzungen des Landessynodalausschusses waren die bisherigen und die künftigen Synodalen stets informiert; denn gerade in dieser Zeit des Übergangs haben alle Beteiligten ein hohes Interesse an einer guten und transparenten Kommunikation. Gleichzeitig ist allen bewusst: So klar die Rechtslage ist, so klar ist es aber auch, dass die neu gewählten, benannten und berufenen Synodalen endlich ihrer kirchenleitenden Verantwortung nachkommen möchten.

Die ersten finanziellen Auswirkungen durch die Pandemie lassen sich bereits einschätzen. Die Synode ist der kirchliche Haushaltssouverän. Von welchen Szenarien gehen Sie aus? In welchen Bereichen muss es zu dauerhaften Einsparungen kommen?

Preidel: Aufgrund der Coronakrise werden sich die Erträge aus den Kirchensteuern von ursprünglich im November 2019 durch die Landessynode beschlossenen 791,57 Millionen Euro um 94,5 Millionen auf jetzt 696,57 Millionen Euro reduzieren. Auch die Finanzerträge aus Wertpapieren werden um 22,5 Millionen Euro geringer ausfallen als geplant. Gleichzeitig plant die bayerische Landeskirche, 29,5 Millionen Euro mehr auszureichen, um kirchliche und diakonische Einrichtungen zu unterstützen, die in der Coronakrise erhebliche Einnahmeausfälle hinnehmen müssen.

Der Landessynodalausschuss hat darüber hinaus darum gebeten, weitere Einsparungsmöglichkeiten zu prüfen. So können kurzfristig im laufenden Haushalt 12,4 Millionen Euro - auch durch die Verschiebung von Investitionen auf spätere Jahre - eingespart werden. Aus heutiger Sicht wird die Landeskirche das Jahr 2020 mit einem Gesamtdefizit von 131 Millionen Euro abschließen.

In diesen Zeiten der Verknappung von Ressourcen profitieren wir allerdings auch davon, dass wir in der vergangenen Synodalperiode verantwortungsvoll mit dem Instrument der Vorsteuerung gehaushaltet und den Prozess "Profil und Konzentration" (PuK) initiiert haben. Ich sehe die Krise also durchaus auch als Chance, um im Sinne von PuK weiter darüber nachzudenken, was unsere Kirche ist, was sie braucht und was sie auch lassen kann.

In der Corona-Krise kommt es zu schweren Dilemmata: Gesundheitsschutz versus Freiheit oder Gesundheitsschutz versus wirtschaftlicher Rückgang. Wie stehen Sie dazu?

Preidel: Die Regierungen der Bundesländer haben Maßnahmen getroffen, um die Belastbarkeit des Gesundheitssystems nicht an ihre Grenze zu bringen. Durch diese restriktiven politischen Maßnahmen hat man bislang in der Tat die große Katastrophe verhindert. Der Preis für die hohe Prävention war allerdings ein psychologischer und ein ökonomischer. Kranke und alte Menschen, die in Kliniken und Pflegeheimen nur in Ausnahmefällen besucht und leider auch seelsorgerlich alleingelassen wurden, starben nicht nur am Coronavirus, sondern an ihrer Einsamkeit.

Auch Familien wurden vor hohe Belastungen gestellt, als von einem Tag auf den anderen Kindertagesstätten, Schulen und auch Kinderspielplätze geschlossen wurden. Freiheit und Selbstbestimmung sind äußerst hohe Güter, die derzeit mit dem Lebensschutz in der Corona-Krise mitunter aufs Heftigste und Entwürdigenste kollidieren. Und leider gibt es keine einfache ethische oder christliche Lösung für dieses schwere Dilemma.

Ohne das Virus auch nur im Geringsten verharmlosen zu wollen, meine ich übrigens doch, dass seine Gefährlichkeit auch darin besteht, uns mit einer Panik zu infizieren, die uns als Gesellschaft noch lange in den Gliedern stecken wird, weil es die Solidaritätsressourcen erheblich auf die Probe stellt. Ich fürchte, dass das Virus nicht nur zu mehr Empathie und Fürsorge führt, sondern auch zu mehr Distanzierung, Misstrauen und Egoismus.

Könnten einige Erfahrungen, die während der Corona-Zeit gemacht wurden, auch hilfreich sein?

Preidel: Corona hat unsere Gesellschaft und unsere Kirche mitten ins Herz getroffen. Es war für einen gewissen Zeitraum nicht möglich, in der gewohnten Form gemeinsam den Glauben zu leben und Gottesdienst feiern zu können. Aber es sind neue Ideen entstanden, wie man trotz des Distanzgebots in Kontakt bleiben, Gemeinschaft feiern und füreinander da sein kann.

Paradoxerweise hat Corona neue Formen des christlichen Miteinanders in den Kirchengemeinden hervorgebracht - unter anderem auf der digitalen Ebene.

Sehen Sie die Digitalisierung nun als Allheilmittel?

Preidel: So gut es ist, dass uns die Krise nicht im digitalen Steinzeitalter ereilt hat, so deutlich will ich doch auch sagen, dass es naiv und blauäugig wäre, jetzt zu meinen, wir könnten - überspitzt gesagt - das gesamte kirchliche und spirituelle Leben rückstandsfrei ins Internet verlagern. Ich habe sehr deutlich in unserer und in anderen Kirchengemeinden gespürt: Corona hat die Sehnsucht nach physischer zwischenmenschlicher Präsenz dramatisch größer werden lassen.

Und deshalb sollten wir als Kirche nicht allzu unkritisch und allzu begeistert auf den Zug der Digitalisierung aufspringen. Trotz aller Vernetzung führt Digitalisierung immer auch zu Individualisierung und letztlich zu Einsamkeit.

Natürlich hat die Digitalisierung auch ihr Gutes. Ich selbst habe in der Corona-Krise neu meinen Blick dafür geschärft, wie wir nachhaltiger und umweltgerechter leben können. Ich bin deutlich weniger gereist. Sitzungen fanden ausnahmslos digital statt. Das Arbeiten im Home-Office ließ sich oft erstaunlich problemlos organisieren. Ich denke, wir werden uns auch nach Corona vermehrt fragen, wofür man wirklich Verkehrsmittel benutzen und unterwegs sein muss und wofür nicht.

Wie sind Sie persönlich durch die Corona-Einschränkungen gekommen? Was haben Sie am meisten vermisst?

Preidel: Eine Krise beinhaltet immer beides: Gefahr und Chance. Ich habe versucht, das kreative Potenzial dieser Krise zu erkennen und habe jeden Abend ein positives Resümee aus meinen täglichen Erfahrungen herausgefiltert. So ist eine lange Liste auf der Seite der Zukunftschancen entstanden. Aber natürlich habe ich Vieles vermisst, wie Kunst, Kultur und Theater sowie vor allem die spontanen Treffen mit Freunden und Familie. Und ich habe die Feste vermisst, die von langer Hand geplant waren und dann abgesagt wurden.

Und natürlich habe ich auch die konstituierende Tagung der Landessynode in Bayreuth vermisst, die wir in letzter Minute stornieren mussten und in deren Vorbereitungen sehr viel Zeit und Energie geflossen war. Dass wir uns jetzt als Kirchenleitung in einem solch merkwürdigen Zwischenraum bewegen, ist nicht wirklich behaglich.

Aber es werden wieder andere Zeiten anbrechen, und der Geist von Corona wird nicht dauerhaft auf unserer Kirche und auf unserer Gesellschaft lasten.