Die alte Dame wollte sterben. "Jetzt singen die auch noch", beschwerte sie sich bei Christa Güllich, nachdem die ehrenamtlichen Altenheimseelsorgerinnen Gunda Grüner und Ute Holler vorbeigekommen waren.

Die Altenpflegerin im Martin-Luther-Haus, einer Einrichtung der Diakonie Neustadt-Aisch, riet den beiden guten Seelen, es mit der Pflege etwas langsamer angehen zu lassen. Wenige Tage später hatten sie sich arrangiert, die Seniorin mit Musik seelisch zu begleiten. Sie konnte mit sich und ihrem Leben Frieden schließen und einschlafen.

Altenheimseelsorgerinnen: Gut auf solche Aufgaben vorbereitet

Situationen wie diese gehören zum Alltag im Altenheim. Der Beruf und das eigene Familienleben mit Kindern, Mann und Familie haben die beiden ehrenamtlichen Altenheimseelsorgerinnen auf solche Aufgaben gut vorbereitet. Gunda Grüner, früher Arzthelferin, und Ute Holler, früher Krankenschwester, haben in den Kursen der bayerischen Landeskirche aber noch Entscheidendes gelernt: zum Beispiel blind Geld zu zählen, ein bisschen Gebärdensprache und wie man Gottesdienste gestaltet.

"Ich würde die beiden jederzeit auch sonntags in der Kirche ranlassen", freut sich Pfarrer Manfred Kolberg.  

Als Gemeindepfarrer in Diespeck hat er die Frauen offiziell beauftragt, regelmäßig Andachten im Heim zu gestalten und unterstützt sie dabei. Zum Abendmahl muss er natürlich selbst kommen. Aber er ist froh, dass er angesichts seiner rechnerischen 1,3 Stellen die 0,3 Stellenanteile Altenheimseelsorge, für die er ohnehin niemanden bekommen würde, weitgehend den Ehrenamtlichen überlassen kann.

Dies sind personelle Engpässe, wie sie Einrichtungsleiterin Manuela Denk auch aus der Pflege kennt. "Wir arbeiten eigentlich immer am Limit", beschreibt sie die Situation in dem vor fünf Jahren eröffneten Haus mit seinen 48 Betten. "Da bleibt das Zwischenmenschliche leider oft auf der Strecke." Hierfür sind Grüner und Holler da, deren Konterfeis bereits im Eingangsbereich im Schaukasten hängen. Man kenne sie hier sowieso schon.

"Ich setze mich halt einfach an einen Tisch dazu und komme ins Gespräch", erzählt Gunda Grüner. Manchmal habe sie auch ihren Hund dabei, als Türöffner zu verschlossenen Herzen.

Als ihr während des Kurses eine Pfarrerin spontan zwei große Plüsch-Elefantenohren aufsetzte und meinte, "suchen Sie nicht nach Lösungen für Probleme, hören Sie einfach nur zu", habe sie eine wichtige Lektion gelernt. Ute Holler kennt auch Situationen, in denen man sich am besten rar macht. "Zwar haben viele Menschen mit Demenz und Einsamkeit zu kämpfen. Man muss aber auch ein Gespür entwickeln, wann jemand seine Ruhe haben will", weiß sie.

Das betreffe auch die geistlichen Angebote im Martin-Luther-Haus. Nicht jeder hier sehne sich nach Gottesdienst und Singen oder habe noch Bezug zur Kirche. "Mancher sagt dann, man könne zumindest die Tür zum Zimmer etwas offen lassen. Beim nächsten Mal ist die Person dann aber vielleicht doch dabei", erinnert sich Christa Güllich.

Begleitung Sterbender ist schwer

Es gibt auch Erfahrungen, die schwieriger wegzustecken sind. Vor allem, wenn es um die Begleitung Sterbender geht. Aus dem Taunus hat mit Katrin Fiedler sogar schon eine Hospizbegleiterin am insgesamt elf Monate dauernden Basiskurs teilgenommen, der in mehreren Modulen in der Tagungsstätte von Mission EineWelt in Neuendettelsau stattfindet und von Praxiseinsätzen begleitet wird. "Oft stehe ich Angehörigen in schwierigen Situationen im Hause bei. Ich glaube, jeder schätzt den Zuspruch, das hörende Ohr, die haltende Hand", schildert sie die Eindrücke in ihrer Einrichtung.

Gunda Grüner und Ute Holler empfehlen ihr Amt jedem, der "in seiner freien Zeit etwas Sinnvolles für den Nächsten tun möchte". Dass dazu auch ein dickes Fell gehört, wissen sie. Dem zollt auch der Pfarrer Respekt.

"Man wird nicht automatisch ein Seelsorger, wenn man Theologie studiert hat. Dazu gehört auch Einfühlungsvermögen und viel Erfahrung", erklärt er.

Ute Holler haben die drei Jahre in der Altenheimseelsorge noch tieferen Glauben gebracht. "Für mich schließt sich hier nach vielen Jahren als Krankenschwester nun ein Kreis", sagt sie.

Der nächste Basiskurs Altenheimseelsorge findet vom 11. September 2023 bis 14. Juli 2024 statt. Referenten aus Seelsorge und Altenhilfe vermitteln die Grundlagen, die Praxiserfahrungen werden von Mentoren begleitet. Zielgruppe sind haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitende in Kirche und Diakonie, die in der Altenheimseelsorge tätig sind oder sich zukünftig in Altenpflegeeinrichtungen ehrenamtlich oder hauptamtlich engagieren wollen.

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