Die langen Stäbe mit den Glöckchen, die sanft über einigen Grabreihen des Nürnberger Johannisfriedhofs im Wind klingen, fallen nicht sofort auf. Man bemerkt sie, wenn das Ohr die Aufmerksamkeit auf Angelika Hubers Arbeit "wind catcher soul tracker" gelenkt hat und der Blick nach oben geht.

Inspiriert wurden die hunderte Stahlstangen mit den Glöckchen von der Idee, dass die Seele der Verstorbenen aus dem Körper in den Himmel wandert. Je länger der oder die Verstorbene tot ist, desto höher der Stab, der visuell und akustisch auf eine Seelenreise verweist.

Kaum noch wegzudenken

"Die Arbeit ist nach ein paar Monaten nun kaum noch hier wegzudenken", sagt der Kunstbeauftragte der bayerischen evangelischen Landeskirche (ELKB), Helmut Braun. Die Nürnberger Künstlerin sei immer wieder zu Wartungsarbeiten auf dem Friedhof und werde häufig angesprochen. Dabei entwickeln sich Gespräche über das Leben und den Tod. Wie auch bei Gästen, die sich von den flatternden, die Farben immer wieder verändernden Textilabschnitten der raumgreifenden Arbeit "FUALUN" von Ursula Kreutz aus Fürth berühren lassen.

Auch an den anderen bayerischen Ausstellungsorten werden den Ausstellungsmachern solche besonderen Erfahrungen zurückgemeldet. In Oberallershausen bei München beispielsweise seien der Gemeinde die Kunstwerke richtig ans Herz gewachsen. Gerade die "Engel" von Martin Wöhrl (München), die aus lackierten Eisenrohren gestaltet wurden und an Bastelarbeiten aus Stroh erinnern.

 
Kunstinstallation "wind catcher soul tracker" von Angelika Huber auf dem Johannisfriedhof in Nürnberg.
Kunstinstallation "wind catcher soul tracker" von Angelika Huber auf dem Johannisfriedhof in Nürnberg.

Neonröhren regen zum Nachdenken an

In Regensburg sind es die weit nach außen sichtbaren Neonröhren aus Plexiglas "Time matters" von Jan Kuck (Berlin), die zum Nachdenken anregen und durch die Farbkombinationen einen sehr starken Ausdruck zeigen. In Bayreuth machen Gegensätze den Reiz aus: Braun hebt besonders die Tusche-Zeichnung "Totentanz" von Georg Bernhard (Augsburg), das "geistige Rot" von Manfred Mayerle (München) oder die an Totenmasken erinnernden Köpfe von Marie Jaksch (München) und die beinahe heitere Installation "Schwebend" von Meide Büdel (Nürnberg) hervor.

In Ansbach sorgte Christian Schreibers (Nürnberg) Arbeit "Pattern of time" für Aufsehen, weil sie mit ihren witterungsabhängigen Lichtpunkten spielerisch die Gruftanlagen beleuchtet. Im protestantischen Friedhof von Augsburg gibt es mit "Sein oder Nichtsein - Was ist der Mensch" eine sehr poetische Licht-Arbeit von Stefanie Unruh (München). In Sichtweite dazu eine akustische Rauminstallation von Florian Tuercke (Nürnberg), die in ungewöhnlicher Weise an den Umgang mit unserer Umwelt erinnert.

Viele Installationen könnten bleiben

Helmut Braun kann sich bei vielen Installationen vorstellen, dass diese mithilfe des landeskirchlichen Kunstfonds angekauft werden und dauerhaft bleiben könnten. "Das liegt natürlich auch daran, dass fast alle Werke einen ganz besonderen Ortsbezug aufweisen und stimmig gesetzt sind", erklärt der Leiter des Kunstreferats der ELKB.

Am 15. September findet auf dem Nürnberger Johannisfriedhof das 12. Kunstsymposium der Landeskirche statt. Man wolle hier die Erfahrungen an allen sechs Ausstellungsorten austauschen und darüber sprechen, welche Arbeiten vor Ort so gut ankommen, dass sie vielleicht dauerhaft bleiben können:

"Der Wunsch dazu muss von den Nutzern vor Ort kommen. Hier wollen wir nicht vorgreifen - aber gerne weiterhelfen und unterstützen."

Unendlich Still

"Wie sind Kunst – als Gestaltung der Gegenwart – und Friedhof zusammenzubringen? Für wen soll die Kunst auf dem Friedhof sein? Und welche Kunst? Kunst, verstanden als Form experimenteller Freiheit? Kunst, die den Friedhof vom Erinnerungs- zum Erfahrungsraum öffnet? Kunst, die zum Nachdenken über das Leben und den Tod ermutigt? Kunst, die uns im Innersten berührt, die schmerzt, die Hoffnung gibt?"


Hier finden Sie weitere Informationen zu den Ausstellungen.