In der vergangenen Woche meldeten die Agenturen – auch der Evangelische Pressedienst (epd) – ein schreckliches Verbrechen an einer jungen Frau: Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt Berlin ermittelten wegen eines sogenannten Ehrenmords an ihrer Schwester gegen zwei Männer, 22 und 25 Jahre alt.

In den sozialen Medien, den Redaktionsstuben und der Politik hat der Fall eine Debatte ausgelöst. Allerdings nicht darüber, was es mit der vermeintlich gekränkten "Ehre" der mutmaßlichen Mörder auf sich hatte. Die Brüder ertrugen es offenbar nicht, dass ihre ältere Schwester Maryam kein Kopftuch (mehr) trug, sich westlich kleidete und mit einem neuen Partner nach eigener Wahl zusammen war. Stattdessen entbrannte – wie häufig in der jüngeren Zeit – ein Streit um Sprachregelungen.

Das Wort "Ehrenmord" canceln?

Man (die Medien, wir alle) solle künftig das Wort "Ehrenmord" nicht mehr verwenden, so die vehemente Forderung. Auch der epd hatte das Verbrechen an der 34-jährigen Afghanin als "sogenannten ›Ehrenmord‹" vermeldet. Stattdessen solle von "Femizid" gesprochen werden, weil nur damit die Tötung von Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts benannt werde.

"Es geht nicht um die Herkunft und die Nationalität der Täter, es geht um die Frage des Geschlechts", formulierte Elke Breitenbach von der Linken diese Position. In Deutschland werde jeden dritten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Der Verweis auf das Generalproblem "Mann" / "Patriarchat" erscheint berechtigt und plausibel. Aber nur auf den ersten Blick. In Wahrheit handelt es sich um eine argumentative Nebelkerze, die nichts erhellt, aber den Blick auf Probleme mit bestimmten migrantischen Herkunftskulturen verstellt, vielleicht sogar verstellen soll. Frau Breitenbach ist Berlins Integrationssenatorin.

Unbequeme migrations- und integrationspolitische Fragen

Eine liberale Gesellschaft lässt sich aber mit Problemleugnung nicht aufbauen – und auch nicht das Recht muslimischer Frauen und Mädchen verteidigen, unabhängig, selbstbewusst, westlich, ohne Kopftuch zu leben. Der Berliner Psychologe Ahmad Mansour, Israeli muslimisch-arabischer Herkunft, sieht die Gefahr, dass die wahren Ursachen von "Ehrenmorden" – archaische Welt- und Frauenbilder mit religiöser Aufladung – in einem Teil der Gesellschaft verdrängt oder relativiert werden. Genauer hinzusehen würde unbequeme migrations- und integrationspolitische Fragen aufwerfen.

Gut, dass sich auch die Berliner SPD-Landesvorsitzende Franziska Giffey zu Wort gemeldet hat. Sie brachte es auf den Punkt: "Nur wenn Zwangsheirat und Ehrenmorde und auch ihre religiösen und kulturellen Hintergründe keine Tabuthemen sind, können wir wirksam gegen die Ursachen vorgehen."

Auch die Frauenrechtsorganisation "Terre des Femmes" hat sich inzwischen zu dem Streit geäußert. Die Feministinnen fordern, "Gewalt im Namen der Ehre" beim Namen zu nennen. Es handele sich bei dem Fall "nicht allgemein um Femizid, also die Tötung von Frauen, weil sie Frauen sind, sondern um eine spezielle Form, die nicht unter dem allgemeinen Begriff versteckt werden darf. Gewalt im Namen der Ehre wird in sehr streng patriarchalischen Gesellschaften ausgeübt, in denen Mädchen und Frauen grundsätzlich nicht die gleichen Rechte wie Männer haben und oft streng kontrolliert werden".