Im Jahr 2015 wurde in Marktrodach innerhalb des Geländes der ehemaligen Firma Dreefs vom Landkreis Kronach eine Notunterkunft für Hunderte von Flüchtlingen errichtet. Auf Bitten der Gemeinde stellten sich damals Dutzende von Bürgern freiwillig als Flüchtlingshelfer zur Verfügung, unter ihnen auch Hartmut Fleischmann. 

Über die damaligen Ereignisse von 2015 bis 2021 hat Fleischmann zwischenzeitlich ein Buch geschrieben. Unter dem Titel "Das Ende der Flucht – Erlebnisse eines Flüchtlingshelfers" verfolgt er an zwei Beispielen das weitere dramatische Schicksal von Flüchtlingen bis ins Jahr 2021 nach.

"Je länger man um einen Fall herum ist, umso mehr geht er einem persönlich nahe",

bekundet der Ehrenamtliche, der mit seiner Ehefrau Anne als Flüchtlingshelfer über einen Zeitraum von rund sieben Jahren tagtäglich mit dem Schicksal von zwei Männern vertraut war. Damals zeichnete er seine täglichen Bemühungen, die vielen Gespräche und Telefonate mit Behörden, Ämtern, Anwälten, Gerichten, Politikern und weiteren Involvierten auf, wodurch ein ganzer Stapel an Ordnern zusammenkam.

Im Mittelpunkt steht der Mensch

Fleischmann schrieb mit Unterbrechungen rund zweieinhalb Jahre an seinem ersten und wahrscheinlich auch letzten Buch. Seine Aufzeichnungen erhöben, wie er betont, keinerlei Anspruch darauf, politische Auswege aus der vermeintlichen Flüchtlingskrise zu bieten. Es gehe ihm "lediglich" darum, auf die Schicksale "dahinter" aufmerksam zu machen; handele es sich doch dabei um Menschen mit all ihren Stärken und Schwächen. Leider sei aktuell die Flüchtlings-Thematik wieder stark im Fokus.

Die derzeitigen Diskussionen seien, in seinen Augen, unsäglich und menschenverachtend. Man rede nur von illegalen Flüchtlingen und möglichst vielen Abschiebungen beziehungsweise davon, diese erst gar nicht ins Land zu lassen. "Samad – die Hauptfigur im zweiten Teil meines Buchs – war auch 'illegal' hier. Ohne ihn gäbe es heute seinen einjährigen Sohn nicht", betont Hartmut Fleischmann, der dem kleinen Elias dann auch sein Buch gewidmet hat.

Samad ist einer der beiden Männer im Zentrum seiner Erzählung. Er und Karim (Name geändert) kamen 2015 aus Afghanistan nach Deutschland in den Landkreis Kronach. Karim wurde von den Taliban grausam gefoltert und verlor dadurch beide Arme. Der Versuch, ihn zu integrieren und ihm durch elektrische Prothesen ein selbstbestimmtes Leben als Mensch mit einer Behinderung in Deutschland zu ermöglichen, scheitert nach jahrelangen Bemühungen an den Traumatisierungen und der Unfähigkeit der deutschen Bürokratie.

Problemlos in Gesellschaft eingefügt, aber Asylantrag abgelehnt

Samad scheint sich von Anfang an problemlos und erfolgreich in die deutsche Gesellschaft einzufügen. Doch dann wird sein Asylantrag abgelehnt. Erst später stellt sich heraus, unter welchen Verfolgungen auch er in Afghanistan gelitten hatte und dass er von den Taliban zum Tod verurteilt wurde. Während die drohende Abschiebung immer näher rückt und auch bei ihm die traumatischen Erfahrungen alle Integrationsleistungen zu zerstören drohen, tritt eine junge Polin in sein Leben. Viele Flüchtlinge seien traumatisiert.

"Hinter den fröhlich lachenden Gesichtern verbergen sich oft große Dramen."

Auch Samad, dessen Eltern und Bruder die Taliban ermordet und auch ihn selbst schwer verletzt hatten, habe nach außen fröhlich gewirkt. Die Resonanz auf ihn war durchwegs positiv. Dem können sich Marktrodachs Bürgermeister Norbert Gräbner und Geschäftsleiterin Katja Wich nur anschließen. Beide lernten Samad, der eine Zeit als 1-Euro-Jobber im gemeindlichen Bauhof arbeitete, ebenso wie alle seine damaligen Kollegen, als fleißigen, hilfsbereiten und freundlichen jungen Mann kennen. Noch gut erinnern sie sich an die in der Bevölkerung herrschende Unsicherheit, als 2015 die Flüchtlingsunterkunft mit einer Kapazität von 1500 Menschen im ehemaligen Dreefs eingerichtet wurde.

Die ganze Marktgemeinde hat den Beschluss mitgetragen

"Wir als Marktgemeinde haben uns gesagt, dass wir uns der Sache annehmen und die ganze Bevölkerung mitnehmen müssen", betont Katja Wich. Die damals initiierte Bürger-Infoveranstaltung sei sehr positiv verlaufen; viele wollten sich einbringen. Für den Vorsitz eines Asylhelfer-Arbeitskreises konnte man glücklicherweise Rohit Vepari – einen in der Marktgemeinde mit seiner deutschen Ehefrau lebenden Inder – gewinnen.

 

Das Ende der Flucht – Erlebnisse eines Flüchtlingshelfers. Hartmut Fleischmann. 312 Seiten. Books on Demand. ISBN: 978-3757878856. 15,99 Euro. 

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