Es war kein Mord. Auch wenn der letzte Satz in ihrem Roman "Malina" das Gegenteil behauptet. Eine brennende Zigarette hatte in der Nacht vom 25. auf den 26. September 1973 ihre Wohnung in Rom entzündet. Sie kam mit schweren Verbrennungen ins Krankenhaus. Die Ärzte wussten nichts von ihrer Medikamenten-Abhängigkeit. Ingeborg Bachmann starb am 17. Oktober mit 47 Jahren am plötzlichen Drogenentzug.

Ein Roman, wo Fragen aufkommen 

"Es war Mord." Was hat sie damit gemeint, als sie ihr fiktives "Ich" in "Malina" zwei Jahre zuvor sterben ließ?

"Ein Roman von umwerfender handwerklicher Perfektion und Originalität verwirrt gezielt autobiografische Konkreta mit ihrer poetischen Symbolisierung"

, schreibt die Literaturwissenschaftlerin und heutige Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig.

Antwort geben könnte Bachmanns lyrisch grundierte Erzählung "Undine geht" (1961). Sie beginnt mit den Worten: "Ihr Menschen! Ihr Ungeheuer! Ihr Ungeheuer mit Namen Hans!" Die Männer in ihrem Leben haben sie also umgebracht: von Hans Weigel über Paul Celan, Hans Werner Henze, Henry Kissinger, Hans Magnus Enzensberger bis zu Max Frisch. So hat zumindest sie es empfunden: aus der Perspektive eines libidinösen Elementarwesens.

Schweres Leid fängt schon in der Kindheit an

Zur Nixe hat sie sich stilisiert. Aber sie war krank. Wie krank, das ist nie eindeutig diagnostiziert worden. "Maßlose irrationale Angst, Schlaflosigkeit, aufgelöste Ich-Konturen, Sucht, psychotische Zustände", befindet Hartwig. Auch der einstige Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki schrieb diskret über "Malina" als "poetischen Krankheitsbericht, als das Psychogramm eines schweren Leidens".

Begonnen hatte dieses Leiden 1938, als die Nazis in ihre Heimatstadt Klagenfurt einmarschierten. Da war sie zwölf Jahre alt. Am 25. Juni 1926 geboren, wurde sie von Ursulinen erzogen, obwohl sie, wie ihr Vater, evangelisch war. Der Krieg mit seinen Bomben hat sich ihr traumatisch eingebrannt, davon zeugt ihre Erzählung "Jugend in einer österreichischen Stadt" (1961):

"Es gibt genug Scherben für Himmel und Hölle... Kinder sterben."

Bildungsweg der Dichterin Ingeborg Bachmann

Zwischen 1945 und 1950 hat sie Jura, Germanistik, Psychologie und Philosophie in Innsbruck, Graz und Wien studiert und wurde mit einer kritischen Arbeit über den Philosophen Martin Heidegger promoviert. Ihre erste Erzählung, "Die Fähre", erschien 1946 in der "Kärntner Illustrierten". Schon als Studentin lernte sie den Lyriker Paul Celan und die Dichterin Ilse Aichinger kennen. Damit war der Weg in die Lyrik gebahnt.

Aber ihr Geld verdiente sie bis 1953 als Hörfunkredakteurin beim Wiener Sender Rot-Weiß-Rot. Ihre große Stunde kam, als sie 1952 vor der Gruppe 47, einem mittlerweile legendären Verbund von Nachkriegsdichtern, lesen durfte. Im Jahr darauf erhielt sie den Literaturpreis der Gruppe für ihren ersten Gedichtband "Die gestundete Zeit". Im Titelgedicht tritt sie als Kassandra auf: "Es kommen härtere Tage./Die auf Widerruf gestundete Zeit/wird sichtbar am Horizont."

Hans Werner Richter, Vorsitzender der Gruppe 47, erinnerte sich später an ihre "Nervosität und stete Rastlosigkeit". Sie habe ihm gesagt, sie brauche einen Mann, der sein müsste wie ein Bettvorleger. "Sie suchte einen idealen Partner. In Wirklichkeit war sie immer allein." Auch als sie für Henze Opernlibretti in Rom schrieb, wo sie seit dem Spätsommer 1953 lebte.

Entdeckung von neuen Horizonten  

Der Zwiespalt zwischen Ideal und Wirklichkeit wurde für sie zum Abgrund. "Die Diktion entspricht dem inneren Spannungsverhältnis des lyrischen Ichs und schwankt daher zwischen Extremen", schrieb Reich-Ranicki über Bachmanns Gedichte. "Von ihrer Verzweiflung an dieser Welt spricht sie mit gedämpfter Stimme ... Ihre Liebesklage klingt mitunter wie ein gellender Ruf." Er attestierte ihr "beständiges Streben nach dem Unbedingten". Daran ist sie gescheitert. Nach ihrem zweiten Gedichtband unter dem Titel "Anrufung des Großen Bären" wandte sie sich von der Lyrik ab.

Danach erschienen zwei Erzählbände: "Das dreißigste Jahr" und "Simultan". Ihr Hörspiel "Der gute Gott von Manhattan" brachte ihr den Hörspielpreis der Kriegsblinden und die Bekanntschaft mit dem Schweizer Schriftsteller Max Frisch, mit dem sie eine Zeit lang in Zürich zusammenlebte. Das Scheitern dieser "offenen Beziehung" hat sie nur schwer verkraftet.

Der Tod der Dichterin Ingeborg Bachmann

Da half auch nicht mehr der Georg-Büchner-Preis 1964. "Ich aber liege allein/im Eisverhau voller Wunden", heißt es in einem ihrer Gedichte. Viele brennende Zigaretten waren schon vor der römischen Katastrophe ihrer Hand entglitten, das bewiesen die Brandmale an ihrem Körper. Die Barbiturate hatten sie den Schmerz nicht mehr fühlen lassen. Begraben ist sie auf dem Klagenfurter Friedhof Annabichl: Klasse I, Feld 25, Reihe 3, Grab 15.

 

 

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