Enttäuscht oder erleichtert? Aaron Mühlendyck ist nach der Landtagswahl in Bayern "ein bisschen von beidem". Bis zuletzt konnte der Diakon und Krankenpfleger bei der Stimmenauszählung hoffen, dass er es über die Liste der Grünen ins Parlament schafft. Dann reichte es doch nicht mehr. Der 38-Jährige wird in Mittelfranken zweiter Nachrücker für seine Partei.

So gerne hätte der Politik-Newcomer im Landtag sein Herz- und Magenthema nach vorn auf die Tagesordnung geschoben: "Die Zukunft der Sozialbranche und die Pflege macht mir Sorgen. Das System ist am Limit". Wenn nichts Einschneidendes passiere, davon ist Mühlendyck überzeugt, würden demnächst viele soziale Angebote wegfallen.

Er verweist im Gespräch auf die Krankenhaus-Schließung in Neuendettelsau oder das Aus eines "Essen auf Rädern" im Landkreis Nürnberger Land. Vor gravierenden Folgen des demografischen Wandels warnt er und stellt fest, dass in den Kitas massiv Fachkräfte fehlen. Es wird deutlich: Der Wahlkampfschwung ist bei Mühlendyck noch nicht abgebremst.

Diakon kandidierte bei der Landtagswahl

Der Familienvater, der mit seiner Frau Arnica zwei Kinder im Alter von 13 und 10 Jahren hat, war vor zwei Jahren noch ein politischer Grünschnabel. Alles begann mit einer Bürgerinitiative, die er mit einem Freund gründete, als in Altdorf ein gewerblicher Sandabbau genehmigt werden sollte. 50 Hektar Natur hätte der zerstört, erklärten die Initiatoren. Innerhalb von drei Monaten sammelten sie fast 6.000 Unterschriften gegen das Vorhaben und verhinderten es.

Als junger Mann hat Mühlendyck - geprägt durch die kirchliche Jugendarbeit - auch überlegt, ob er Theologie studieren soll, erzählt er. Weil er aber nicht die Bibel auslegen, sondern seine Werte und Normen gleich in die Tat umsetzen wollte, schien ihm Diakon und Krankenpfleger die passendere Berufswahl. Er wolle "gelebte Liebe umsetzen", sagt er. Auch sein politisches sei davon gekennzeichnet, "nicht nur zu debattieren, die Schöpfung zu bewahren, sondern darum zu kämpfen".

Mühlendycks Verhältnis zu Glaube

Dem Grünen-Politiker imponieren christliche Figuren der Geschichte wie Martin Luther, dem ja der Satz "Hier stehe ich und kann nicht anders" zugeschrieben wird. Wichtig ist ihm auch Dietrich Bonhoeffer. Sein Wirken zeige ihm angesichts des aktuellen Rechtsrucks in der Gesellschaft, "dass es auf jeden Einzelnen ankommt". Er wolle mit einem reinen Gewissen ins Bett gehen, weil er im Rahmen seiner Möglichkeit gehandelt habe.

Mühlendycks erfolgreicher Bürgerinitiative folgten Netzwerkbau und Aufbauarbeit bei den Grünen, wo er es zum Direktkandidaten für seinen Wahlkreis brachte. Aber das bedeutete im Wahlkampf sieben Tage in der Woche "harte Arbeit". Er habe einmal den Aufbau und einer außerklinischen Intensivpflege geleitet und als Pflegedienstleiter gearbeitet, erzählt er, er wisse, dass er belastbar ist.

Aber als Kandidat "lernt man seine Belastungsgrenzen kennen". Obwohl ihm der Wahlkampf prinzipiell Spaß gemacht hat, war er froh, als die Termine zur Wahl vorüber waren. Besonders anstrengend war dann noch "das Warten auf das Ergebnis", sagt er.

Wahlkampfzeit

Denkt Mühlendyck an die Wahlkampfzeit zurück, erinnert er sich auch an unangenehme Situationen. Etwa an robuste AfD-Wahlkämpfer, die sich am Infostand der Grünen bedrohlich vor schmächtigen jungen Frauen aufbauten. Ihm selbst drohten Passanten Prügel an oder beschimpften ihn als Kriegstreiber.

"Die Stimmung ist antipolitisch aufgeheizt", stellt der ehemalige Kandidat fest.

Auch die "unnötige Härte", mit der Ministerpräsident Markus Söder gegen die Grünen ins Feld gezogen sei, ärgert ihn noch: "Ergebnistechnisch hat er damit nichts gewonnen". Mühlendyck, der jetzt weiter als Dozent für Pflegewissenschaften arbeiten wird, kann über das Abschneiden der AfD nur den Kopf schütteln. Deren Vertreter würden nicht nach Lösungen suchen, sagt er. "Wo ist denn da bitte der Sinn?"

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