Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat bei der Sommertagung des Politischen Clubs der Evangelischen Akademie Tutzing von seinen Eindrücken bei seinem Besuch in Kiew gesprochen. "Wenn man die Zerstörung vor Augen habe, die der Krieg angerichtet habe, wird klar, was das für eine Zäsur ist", sagte er am Freitagabend in Tutzing.

Um zu verstehen, wie die Welt sich ändert, und zu verhindern, dass eine europäische und internationale Friedensordnung auf Dauer zerbreche, müsse man nun verstehen, wo die Bruchlinien seien, sagte Scholz. Er warb daher für eine multilaterale Welt, deren Grundlage die Demokratie ist.

Vom Aufstieg der Länder des Globalen Südens müssten sich die Länder des Westens nicht bedroht sehen, sagte Scholz in seiner Rede mit dem Titel "Demokratie und Zeitenwende - neue Herausforderungen, neue Perspektiven".

"Die Zukunft unserer Demokratie hängt von der Zukunft der Demokratien in der Welt ab".

"Jede Demokratie ist ein Unikat", sagte Scholz, "und nicht jede Demokratie funktioniert reibungslos". Aber Länder, die sich auf die Grundlage der Demokratie stellten, eröffneten Spielräume für Oppositionelle, die auf Lücken zwischen Anspruch und Wirklichkeit verweisen könnten. In Demokratien könnten die Machthaber auch nicht auf Dauer über die Wünsche der Menschen hinweggehen, zeigte sich Scholz optimistisch.

Er habe bewusst zum Gipfeltreffen G7 in Elmau vom 26. bis 28. Juni auch die Vertreter von Indien, Indonesien, Südafrika, Senegal oder Argentinien eingeladen, so der Bundeskanzler, denn mit diesen Staaten müsse der Westen viel intensiver zusammenarbeiten als bisher. "Wir sind nicht allein auf dieser Welt", sagte er und rief zu solidarischem Handeln auf. Viele Länder hätten Angst vor den hohen Energiepreisen und Hungerkrisen. Deren Perspektiven müssten auch akzeptiert werden.

Scholz sagte, bei seinem Besuch in der Ukraine zusammen mit den französischen und italienischen Präsidenten habe man der Ukraine noch einmal Mut gemacht, dass sie eine Perspektive in Europa habe.

"Ein Ende des Kriegs zeichnet sich nicht ab", so Scholz.

Der Krieg werde mit einer Brutalität geführt, bei der man sich frage, wozu sie führen solle. "Hier geht es um Macht und Größe, was wir überwunden gehofft hatten."

Bei der Tagung des Politischen Clubs, die bis Sonntag dauert, wollten unter anderem auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, die Politikwissenschaftlerin und SPD-Politikerin Gesine Schwan sowie der Politikwissenschaftler Claus Leggewie sprechen.