Am Standort des einstigen Krematoriums des Konzentrationslagers Flossenbürg haben Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) und der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, Karl Freller, am Mittwoch der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Im Mittelpunkt des Gedenkens standen dieses Jahr Menschen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt wurden. Bei dem Gedenkakt wurde auch eine Steinstele als Erinnerung an die homosexuellen Opfer eingeweiht. In Flossenbürg waren knapp 400 homosexuelle Männer inhaftiert, 95 von ihnen starben dort.

Den homosexuellen Opfern eine Stimme zu geben, sei die zentrale Aufgabe des Gedenkens rund um den 27. Januar, sagte Landtagspräsidentin Aigner. "Schon ein Kuss, ein Blick konnte Bestrafung bedeuten. Wer im nationalsozialistischen Deutschland als schwul, lesbisch oder transgeschlechtlich galt, war seines Lebens nicht mehr sicher", erinnerte Aigner.

Der rosa Winkel kennzeichnete Homosexuelle 

Wie bei den jüdischen Opfern sei es den Nationalsozialisten nicht genug gewesen, die als "anders" Definierten zu demütigen und auszugrenzen. "Alles was wir heute als 'bunt' begreifen, als Ausdruck von Freiheit und Gleichberechtigung, wurde verboten und vernichtet", sagte die Landtagspräsidentin. Lange scheute man sich, ihr Schicksal öffentlich zu machen. Bis 1969 blieb der Paragraf 175 ("Verbot von Homosexualität") des Strafgesetzbuches in der nationalsozialistischen Form in Kraft und wurde erst 1994 komplett gestrichen.

Die Nazis hatten in ihren Konzentrationslagern einen Code zur Einteilung der Häftlinge in Kategorien erfunden. Jeder musste als Kennzeichen an der Kleidung eine farbigen Winkel tagen. Dieser sollte die "Gründe" für ihre Inhaftierung sichtbar machen. Dadurch seien die in diesem "zynischen System bewusst geschaffenen lagerinternen Hierarchien" unter den Häftlingen verschärft worden, erläuterte Stiftungsdirektor Karl Freller laut Redetext: "Homosexuelle trugen den rosa Winkel. Mit dieser Farbe waren sie besonders unmenschlichen Schikanen ausgesetzt."

1945 kaum öffentliches Interesse an den Geschichten der Inhaftierten

Einer der nach Paragraf 175 Inhaftierten war Richard Grune. 1903 in Flensburg geboren, lässt er sich mit 16 Jahren zum Gebrauchsgrafiker ausbilden. Im Herbst 1934 wird Grune von der Polizei verhaftet und befindet sich mit kurzen Ausnahmen bis 1945 in verschiedenen Gefängnissen und Konzentrationslagern - ab 1940 in Flossenbürg. Nach seiner Befreiung 1945 erstellt er innerhalb von nur acht Wochen 40 Lithografien mit Szenen aus seiner Lagerhaft in Sachsenhausen und Flossenbürg. Er will das Leiden publik machen: Terror, Hunger, körperliche Schwerstarbeit und Mord. Einen Teil seiner Zeichnungen stellt er ab Herbst 1945 in mehreren deutschen Städten aus. Doch die Wanderausstellung stößt nur auf geringes Interesse. 1948 wird Grune erneut auf der Basis des weiterhin geltenden Paragrafen 175 verurteilt.

Den Anstoß zum Gedenkstein gab die Nürnberger Initiative "Fliederlich" und finanzierte ihn auch, sagte Freller. Der Verein nehme sich seit den 1970er Jahren queeren Menschen und deren Familien vorbildlich an. Bis heute bestehe in Deutschland "Erkenntnis- und Handlungsbedarf" bei queeren Themen, sagte der Stiftungsdirektor, "die Kirchen nicht ausgenommen".

Künstlerisch ausgeführt hat das Denkmal der Steinmetz Bastian Brauwer, der zugleich Vorstand des CSD Nürnberg ist. In seiner Rede verwies Brauwer darauf, dass der Paragraf 175 sexuelle Handlungen unter Männern auch noch in der Bundesrepublik unter Strafe stellte. "Zu einer ersten Entschärfung des Paragrafen 175 kam es erst 1969, danach existierte er noch weiter und wurde erst 1994 abgeschafft." Das sei auch der Grund, weshalb erst so spät der Opfer gedacht werde, sagte Brauwer.