Für wenig Geld durchs ganze Land: Das 9-Euro-Ticket hat den Menschen offenbar Lust auf den Öffentlichen Nahverkehr gemacht. Doch das Billig-Billett hat auch Kehrseiten: teils volle Züge, mehr Verspätungen, kein Platz mehr für Fahrräder. Und nun auch noch das: Im letzten Monat des Schuljahres - oft genutzt für Wandertage und Klassenfahrten - warnt das Verkehrsministerium in München: Vorsicht, womöglich können nicht alle Klassen komplett im Zug mitgenommen werden.

9-Euro-Ticket und Schulausflüge zu viel für den Schienenverkehr

Die Rektorin einer Münchner Grundschule staunte in den vergangenen Tagen nicht schlecht, als sie über das Staatliche Schulamt eine Nachricht des bayerischen Verkehrsministeriums per Mail bekam: "Wir bitten Sie dringend um Beachtung der Problematik der Schulausflüge zum Schuljahresende." Die Eisenbahnverkehrsunternehmen befürchten "starke Probleme". 9-Euro-Ticket-Nutzer und Schüler auf Klassenausflügen, das ist zu viel für den Schienenverkehr. Das Problem: Achslast-Überschreitung.

"Jetzt sind also auch noch die Schülerinnen und Schüler daran schuld, wenn die Achslast in den Zügen überschritten wird", echauffiert sich die Rektorin. In der Tat ist es so, dass in den vergangenen Wochen seit dem Start des 9-Euro-Tickets Anfang Juni mehrfach Züge nicht ab- oder weiterfahren konnten, weil sie zu voll waren. Erst als einige wartewillige Fahrgäste wieder ausgestiegen waren und andere auch gegen ihren Willen vom Bahnpersonal hinauskomplimentiert wurden, ging es weiter.

"Schade und bedenklich"

Es wäre "natürlich eine Katastrophe, wenn in so einem Fall eine Schulklasse auseinandergerissen würde", heißt es in der Mail an die Schulen weiter. Und:

"Die Mitnahme einer ganzen beziehungsweise vollständigen Reisegruppe kann aber derzeit wegen der außerordentlich hohen Auslastung nicht gewährleistet werden."

Aus dem Münchner Schulamt heißt es dazu, man finde es "sehr schade und bedenklich", dass die Bahnunternehmen keine Mitfahrzusage für ganze Klassen machen können.

Schulleiter spricht von "Frechheit"

Auch der Schulleiter eines großen Gymnasiums in Unterfranken schüttelt angesichts der Situation nur den Kopf. "In der Corona-Pandemie mussten Kinder und Jugendliche so viel zurückstecken - es gab mehr als ein Jahr keine Klassenfahrten, kaum richtige Exkursionen und Ausflüge", sagt er. Dass nun mehr oder weniger direkt von den Aufsichtsbehörden geraten wird, lieber Ausflüge zu streichen, anstatt sich der Gefahr der "Nicht-Mitnahme" auszusetzen, sei

"geradewegs eine Frechheit".

Das Kultusministerium teilte dem Sonntagsblatt auf Anfrage mit, Klassenfahrten und Ausflüge seien "für das soziale Miteinander" der Schüler "sehr wichtig". Man sei vom bayerischen Verkehrsministerium über die "erhöhte Auslastung" im Nahverkehr informiert worden. Man habe aber von einer "zentralen Weiterleitung an alle Schulen" bewusst abgesehen. Die Schulleitungen vor Ort wüssten viel besser über möglicherweise stark ausgelastete oder überlastete Strecken Bescheid.

Rektorin vermisst Einordnung

In München hat das Staatliche Schulamt die Info an alle Schulen in seinem Zuständigkeitsbereich verschickt - nachdem es die Info von der Regierung von Oberbayern erhalten hatte. "Das wurde aber überhaupt nicht irgendwie eingeordnet, was das heißt", klagt die Münchner Rektorin. "Kommentare zu Verlautbarungen" des Dienstherren seien unüblich, sagt dazu das Schulamt. Heißt im Klartext: Die Informationen werden weitergegeben, alles andere sollen die Schulen selbst entscheiden.

Das bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr übrigens teilte auf Sonntagsblatt-Anfrage mit, man habe die Verkehrsunternehmen zum Start des 9-Euro-Tickets aufgefordert, ihre Kapazitäten zu verstärken. Auch habe der Freistaat acht Millionen Euro als "freiwilliges Sonderbudget" aufgesetzt, aus dem "bereits zahlreiche Zusatzkapazitäten" finanziert worden seien. Die Verantwortung liege aber letztlich bei den Eisenbahnunternehmen, Schulklassen nicht zu teilen oder zu trennen.

Nicht alle Schulen sagen Ausflüge ab

Während einige Schulen vor allem ihre Tagesausflüge nun vorsichtshalber absagen oder umplanen, halten andere - wie die Münchner Rektorin - daran fest:

"Bevor ich meine Klasse auseinanderreißen lasse, schmeiße ich eigenhändig andere Fahrgäste aus dem Zug."

Das wird für die Schüler*innen dann sicher ein besonders einprägsamer Wandertag am Tegernsee.