Nur 4,6 Tonnen pro Jahr: Die Jakobuskirche in Pullach bei München hat in Sachen CO2-Reduktion schon Erhebliches geleistet. Die Voraussetzungen für den Spitzenwert sind bei den Protestanten im Isartal günstig: 2008 hat die Gemeinde ihre Gasheizung gegen Wärme aus 4.000 Meter Tiefe eingetauscht, indem sie das Geothermienetz der Kommune nutzt. "Der CO2-Ausstoß ist dadurch wesentlich gesunken", sagt der Umweltbeauftragter Konrad Petersen.

Die weiteren Meilensteine: Neue Dämmung für Kirchendach und -fenster, Umstellung auf Naturstrom, Kirchenbeleuchtung mittels LED. Mehr geht gerade nicht: Projekte wie eine Photovoltaikanlage sind zurückgestellt, weil sie sich derzeit nicht lohnen. "Vielleicht in fünf oder zehn Jahren", sagt Petersen.

Gesetzentwurf: Runter mit den Emissionen

75.400 Tonnen Treibhausgase (THG) hat die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern (ELKB) im Jahr 2018 nach eigenen Angaben emittiert. 89 Prozent davon entfallen auf den Gebäudebereich, rund 11 Prozent auf die Mobilität der Mitarbeitenden. Bislang war Klimaschutz für die 1.530 Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen freiwillig, jetzt wird er Pflicht: Bis 2035 müssen die Emissionen runter auf 10 Prozent - so steht es im Gesetzentwurf, über den die Landessynode am Donnerstag bei ihrer Frühjahrstagung in Coburg beschließt. 2045 soll die ELKB dann komplett klimaneutral arbeiten. Damit folgen die bayerischen Protestanten dem Zeitplan, den die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) für ihre Gliedkirchen vorgegeben hat.

Noch tragen - wie die Jakobuskirche Pullach - aber erst gut 200 Gemeinden und Einrichtungen das Siegel des Grünen Gockels im Namen. Denn dahinter verbirgt sich ein umfangreiches Umweltmanagementsystem, das vom Putzmittel bis zur Kirchenheizung alle Bereiche unter die Lupe nimmt. Der Gockel ist in Sachen kirchlicher Klimaschutz quasi der Goldstandard. Er verlangt eine ausführliche Dokumentation aller Verbräuche, die in das "Grüne Datenkonto" der Landeskirche eingepflegt werden - ein Aufwand, den viele Gemeinden scheuen.

Doch für Umweltreferent Wolfgang Schürger ist das Konzept nach wie vor "der beste Weg, die eigenen Umweltauswirkungen zu erkennen und dann auch wirksam gegenzusteuern". Mit Blick auf den straffen Zeitplan bis 2035 ist für ihn auch klar: "Wir müssen schneller werden." Ein detaillierter Fahrplan ist dem Klimagesetz angegliedert; er soll die nötige Geschwindigkeit in den Prozess bringen.

 

Das sieht das Klimaschutzgesetz vor

REDUKTION UM 90 PROZENT BIS 2035: Bis zum Jahr 2035 müssen alle kirchlichen Einrichtungen, Gemeinden und Dekanate ihre Treibhausgas (THG)-Emissionen um 90 Prozent senken. Als Vergleichswert gilt dabei der Ausstoß, der zum Stichtag 1. Januar 2023 ermittelt wurde.

KLIMANEUTRAL BIS 2045: Von 2035 bis 2045 müssen die kirchlichen Rechtsträger ihre Emissionen jedes Jahr um einen weiteren Prozentpunkt drücken, "sodass mit Ende des Jahres 2045 Netto-Treibhausgasneutralität gewährleistet ist", wie es im Gesetzentwurf heißt. Dabei sollen ab 2036 auch Technologien zur CO2-Kompensation zum Zuge kommen, die zu diesem Zeitpunkt ökologisch sinnvoll sind.

FAHRPLAN: Um Reduktionsziele zu erreichen, flankiert ein "Klimaschutzfahrplan" das Gesetz. Dieser Maßnahmenplan soll regelmäßig überprüft und bei Bedarf angepasst werden. Dafür reicht unter bestimmten Voraussetzungen ein Beschluss des Landeskirchenrats.

VERBOT FOSSILER HEIZUNGEN: Paragraf 5 des "KliSchG" schreibt fest, dass auf den Einbau neuer Heizungsanlagen mit fossilen Brennstoffen oder der Anschluss an Versorgungsnetze auf fossiler Grundlage "zu verzichten" ist. Zulässig sind per Gesetz ausschließlich klimaverträgliche Technologien "nach dem jeweils aktuellen Stand der Technik", wie derzeit Wärmepumpen, Solarthermie und Fernwärme aus erneuerbarer Energie. Außerdem schreibt das Gesetz vor, dass fossile Heizungen bis spätestens 31. Dezember 2045 ausgetauscht sein müssen.

NATURSTROM: Elektrische Energie soll in den Gebäuden der bayerischen Protestanten künftig nur noch aus erneuerbaren Quellen stammen, und zwar am besten sofort: "Bestehende Stromlieferungsverträge sind zum nächstmöglichen Zeitpunkt entsprechend umzustellen", heißt es im Gesetz.

MOBILITÄT: Dienstreisen müssen künftig mit der Bahn, den Öffis, dem Rad oder dem E-Auto zurückgelegt werden. Inlands- und Kurzstreckenflüge - darunter fällt laut Fluggastrechteverordnung der EU jede Distanz bis 1.500 Kilometer - sind von Haus aus tabu. Um Emissionen bei der Mobilität einzusparen, dient per Gesetz auch mobiles Arbeiten.

EINKAUF: Im Einkauf bekommen ökologisch zertifizierte Produkte und solche aus regionalem oder fairem Handel den Vorzug. Tierische Produkte sollen "grundsätzlich" aus einer Haltungsform mit "möglichst hoher Stufe des Tierwohls" stammen. Eine fleischlose Alternative ist bei Gemeinschaftsverpflegung künftig Pflicht.

MONITORING: Alle Gemeinden und Einrichtungen müssen ihre Energiedaten erfassen. Die jährliche Treibhausgasbilanz ist dann verpflichtender Teil des Jahresabschlusses. Klimaschutz in der Landeskirche ist künftig "Querschnittsaufgabe" der zuständigen Referate im Landeskirchenamt. Sie überwachen die Entwicklung anhand der erfassten Daten und passen gegebenenfalls die Maßnahmen des "Klimaschutzfahrplans" an.

FINANZIERUNG: Investitionen werden von der Landeskirche künftig nur noch gefördert, wenn die Baumaßnahmen erstens nicht gegen die Ziele des Klimaschutzgesetzes verstoßen und zweitens Gebäude betreffen, die einem Immobilienkonzept zufolge über das Jahr 2035 hinaus erhalten bleiben. Diese Strategiekonzepte müssen die kirchlichen Rechtsträger bis 31. Dezember 2025 fertigstellen.

AUSNAHMEN: Ob Heizung oder Dienstreise: Von den Gesetzesvorgaben "kann in besonders begründeten Fällen" nur nach Zustimmung durch das Landeskirchenamt abgewichen werden.

Kirchengebäude sind entscheidender Faktor

Der entscheidende Faktor auf dem Weg zur Klimaneutralität sind die kirchlichen Gebäude. Deshalb schauen die Verantwortlichen in den Dekanaten genau, welche Immobilien künftig - auch angesichts der sinkenden Mitgliedszahlen - noch gebraucht werden. Etwa 50 Prozent der Gemeindezentren, Pfarrhäuser, Kirchen könnten bis 2035 aufgegeben werden.

Der Rest muss energetisch auf den neuesten Stand kommen. Dazu baut die Landeskirche laut Schürger einen "Turbo" ins neue Klimagesetz: Sobald es in Kraft tritt, ist der Einbau von Heizungen mit fossilen Energieträgern verboten. Darüber hinaus müssen alle Gemeinden und Einrichtungen schnellstmöglich auf zertifizierten Naturstrom umstellen.

Die Offenbarungskirche, 1997 eine der ersten Gockel-Gemeinden Münchens, wird mit den neuen Vorgaben keine Schwierigkeiten haben. Knapp hundert Jahre hatte das alte Gemeinde- und Pfarrhaus auf dem Buckel, seit Jahren gab es Probleme mit Schimmel, schlechter Isolation und mangelnder Barrierefreiheit. Jetzt wird neu gebaut - ein vierstöckiges Niedrig-Energiehaus mit Wärmepumpe und Photovoltaik auf dem Flachdach, das genau wie die Fassade begrünt sein wird. Der Strom der Anlage beheizt das Gebäude mittels Grundwasser-Wärmepumpe und versorgt Gemeinderäume, Pfarrbüro, Dienstwohnung und die Wohngruppen für Menschen mit Epilepsie, die die Diakonie München auf zwei Stockwerken betreibt, mit Strom. Auch für die Ladestationen für E-Autos, die gerade im Gespräch sind, reicht es noch, bevor der Reststrom ins Münchner Netz eingespeist wird.

Für die Klimabilanz der Gemeinde ist der Neubau "ein weiterer Riesensprung nach vorn", sagt der Umweltbeauftragte, Matthias Brandstätter. Doch das nächste Großprojekt wartet schon: Bis 2045 muss die Gemeinde dem neuen Gesetz zufolge die Gasheizung der Kirche austauschen. Brandstätter ist in dem Punkt pragmatisch. Er kann sich vorstellen, mit beheizbaren Sitzpolstern und Heizplatten rund um die Orgel zu arbeiten. Vielleicht müssen sich auch die Kirchenbesucher wärmer anziehen:

"Unsere katholische Nachbarkirche ist 250 Jahre alt und hat gar keine Heizung", sagt der Diplom-Physiker: "Das funktioniert auch."

Ausstellung "Klimagerecht leben"

Wie können wir "Klimagerecht leben"? Die Foto-Ausstellung zum Thema Klimagerechtigkeit präsentiert Fotoreportagen von rund zwanzig Fotografinnen und Fotografen aus aller Welt. Sie dokumentieren die Ursachen und Folgen des Klimawandels und zeigen Projekte und Initiativen, die Lösungswege aufzeigen.

Die Ausstellung schlägt einen Bogen von lokalen Initiativen in Deutschland bis hin zu weltweit vernetzten Klimaprojekten. Zu den Themen, die gezeigt werden, zählen soziale Gerechtigkeit, Naturschutz, Wasserknappheit, Biodiversität und Klimawissenschaft.

Die Plakat-Ausstellung in den Formaten A1, A2 und A3 kann ausgeliehen werden. Sie eignet sich für Schulen, Bildungseinrichtungen, Kommunen oder Gemeinden. 

Dieser Artikel gehört zur digitalen Ausstellung von "Klimagerecht leben". Eine Übersicht zu den Fotografinnen und Fotografen der Ausstellung gibt es unter diesem Link

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