"Back to Church" soll zwar eine "Charme-Offensive für unsere Gottesdienste" sein, es sollen aber ausdrücklich am 24. September keinerlei Aktionen stattfinden, um einen Gottesdienst möglichst voll zu kriegen oder außergewöhnlich zu gestalten. Woher kommt der Charme idealerweise dann?

Wolf: Natürlich ist es schön, wenn viele Menschen in der Kirche sind – durch das persönliche Einladen, durch Öffentlichkeitsarbeit und durch liebevoll gestaltete Gottesdienste.

Aber beim Projekt "Gottesdienst erleben" geht es nicht darum, an dem Sonntag ein Spektakel zu veranstalten. Denn wenn die Menschen die Woche danach wieder in den Gottesdienst kommen, weil es ihnen gefallen hat, und dann ist alles völlig anders, wäre das nicht im Sinne der Aktion.

Der Charme kommt von den Menschen, die an diesem Sonntag besonders auf Willkommenskultur achten, Gastfreundschaft leben, authentisch zum Gottesdienst einladen und den Gottesdienst ganz bewusst aus der Perspektive der Menschen vorbereiten, die nicht regelmäßig im Gottesdienst sind.

Gehrig: Es geht nicht darum, besondere Events zu starten, sondern Menschen erzählen anderen von dem, was ihnen guttut und was sie als positiv erleben. Da erzählt eine vom Sonntagvormittagsgottesdienst, ein anderer vom Familiengottesdienst und eine dritte von der Taizé-Andacht. Alles Gottesdienstformen, zu denen wir gerne einladen können, wenn wir sie selbst als positiv erleben. Der Charme entsteht dort, wo ich jemand anderem erzähle, warum ich selbst einen Gottesdienst oder eine Andacht besuche, was mir daran guttut.

Trotzdem soll der 24. September zum Anlass genommen werden, die Gestaltung eines Gottesdiensts an sich zu überdenken und eine neue Willkommenskultur zu erfinden. Gibt es da Impulse seitens des Gottesdienstinstituts?

Wolf: Die Aktion wird begleitet durch das Landeskirchenamt, das Amt für Gemeindedienst und das Gottesdienstinstitut. Auf der Website des Amts für Gemeindedienst finden sich neben Vorlagen für die Öffentlichkeitsarbeit auch Checklisten für die Vorbereitung von Gottesdiensten und Infos rund um das Thema Gastfreundschaft.

Gehrig: Im Vorfeld wurden Vorbereitungstreffen für die Gemeinden vor Ort angeboten, an denen das Gottesdienstinstitut beteiligt war und besonders auch Erfahrungen aus der Gottesdienstberatung eingebracht hat. Für das nächste Jahr wird sich das Gottesdienstinstitut noch deutlich intensiver in diese Vorbereitung einbringen. Ein wichtiger Schwerpunkt wird dabei sein, die Vielfalt der bereits bestehenden Gottesdienstformen bewusst zu machen. "Back to Church" zielt ja nicht in erster Linie darauf, den 10-Uhr-Gottesdienst zu füllen, sondern zu einem oftmals bereits bestehenden, vielfältigen Gottesdienstprogramm einzuladen. Neben organisatorischen Impulsen wird es deshalb darum gehen, dass Gemeinden wertschätzende Vielfalt unterschiedlicher Formen leben und erleben – und dazu einladen. Das muss aber wahrgenommen und eingeübt werden.

Warum gerade dieser Termin?

Wolf: Die Aktion kommt ursprünglich aus der anglikanischen Kirche. Dort wurde das in der "Back to School"-Zeit gemacht – also im September nach den Sommerferien, wenn die Schule und die Arbeit wieder beginnen. Deswegen liegt der Back-to-Church-Sonntag traditionell im September. Letztlich gibt es bei jedem Termin Argumente dafür oder dagegen. Aus regionalen Gründen kann es auch Anlass geben, die Aktion einen Sonntag vor oder nach dem offiziellen Termin zu machen. Andere Regionen wollen die Aktion mehrmals im Jahr durchführen – um die persönliche Einladung und Gastfreundschaft regelmäßig einzuüben.

Gehrig: Es gab bisher schon Regionen, die "Back to Church" im Februar oder März durchgeführt haben, weil es für die Region da besser gepasst hat. Der genaue Termin ist nicht das Entscheidende. Aber die Chance besteht natürlich darin, dass wir in ganz Bayern einen gemeinsamen Termin haben. Dadurch spricht sich das besser herum, und wir haben die Chance, an unterschiedlichen Stellen, auch in der Presse, aufzutauchen, was nicht so wäre, wenn jedes Dekanat seinen eigenen Termin festlegt.

Die Idee ist: Gottesdienstbesucher laden andere Menschen dazu ein, mitzugehen, oder bringen diese gleich mit. Wie erreichen die Gemeinden diese potenziellen "Werber", was gibt man ihnen an die Hand?

Wolf: Eine gute Erfahrung war, dass es regionale Einladungskarten gibt, auf denen die Gottesdienste der Region stehen. Dann haben die Menschen, die andere aus der Nachbarschaft, der Arbeit oder dem Freundeskreis einladen, etwas in der Hand. Aber das ist tatsächlich das Herz der Aktion – Öffentlichkeitsarbeit drum herum ist gut, die schöne Gestaltung eines Gottesdiensts ist wichtig, aber das Entscheidende ist, dass der Kirchenvorstand, die Ehrenamtlichen, die Gottesdienstbesucher Menschen persönlich einladen.

Gehrig: Genau das ist das Entscheidende: die persönlichen Kontakte und die persönlichen Geschichten. Kein Flyer und kein Gemeindebrief kann das erreichen, was ein persönlicher Kontakt auslöst. Deshalb ist es so wichtig, Menschen zu ermutigen, dass sie von sich erzählen.

Das Projekt gab es in einzelnen Regionen schon in den Jahren 2017, 2018 und 2019 – diesmal ist es eine bayernweite Aktion. Wie ging das vonstatten, von den Regionalbischöfen bis zu den Dekaninnen alle in ein Boot zu holen und zu überzeugen?

Wolf: Die Erfahrung sehr vieler Gemeinden nach der Pandemie ist, dass die Gottesdienste schlechter besucht sind als vorher. Deswegen hat sich eine Gruppe von Dekaninnen und Dekanen sowie Präsiden unter der Leitung von Regionalbischöfin Gisela Bornowski im Kirchenkreis Ansbach-Süd im Januar 2023 mit dem Thema "Back to Church"-Sonntag beschäftigt und entschieden: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, diese Aktion wieder durchzuführen – und zwar gemeinsam. Die Regionalbischöfinnen und Regionalbischöfe der anderen Kirchenkreise haben davon erfahren und gesagt: Es wäre toll, wenn wir das als gemeinsame Aktion in ganz Bayern machen. In den Dekanekonferenzen fand die Idee positive Resonanz, und so ging das weiter in die Pfarrkonferenzen und über landesweite Zoom-Veranstaltungen auch zu Ehrenamtlichen und anderen.

Gehrig: Ich finde es faszinierend und wegweisend, dass die entsprechenden Verantwortlichen auch in dieser Breite das Projekt mittragen.

Auch nach dem Ende der Corona-Maßnahmen kommen nicht wieder so viele Menschen wie früher in die Gottesdienste, es sind sogar weniger geworden. Wurde während der Pandemie eine Chance vertan, wieder näher an die Kirche zu binden?

Wolf: Der deutsche Titel des "Back to Church"-Sonntags heißt "Gottesdienst erleben". Die positiven Erfahrungen in den Regionen mit dieser Aktion wurden durch Corona jäh unterbrochen, denn teilweise waren gar keine Gottesdienste erlaubt und danach nur mit strengen Auflagen, mit Besucherobergrenzen, mit der Notwendigkeit einer Anmeldung. Das war das Gegenteil von Willkommenskultur und Einladung zum Gottesdienst.

Gehrig: Gleichzeitig sind in der Coronazeit viele neue Initiativen und Formen entstanden, zu denen sich Menschen haben einladen lassen. Wo dies weiterverfolgt und entwickelt wird, hören wir auch sehr positive Entwicklungen. Ich denke beispielsweise an kleine Gemeinden, die in Außenorten "Kirche vor Ort" gefeiert haben und plötzlich Menschen mitgefeiert haben, die sonst nicht in die Kirche gehen. Oder besondere Formen: Gottesdienst an Heiligabend bei einer großen Krippe auf dem Spielplatz oder bei Lagerfeuer in der Wohnsiedlung. Es sind vielleicht weniger Menschen in der klassischen Christvesper, dafür aber andere in offenen Formen, die gerne mitfeiern. Hier kann eine Bindung – vielleicht auch eine neue – gelingen.

Wie zufrieden sind Sie denn bisher mit den Rückmeldungen auf "Back to Church" aus den Gemeinden?

Wolf: Bayern ist die erste Landeskirche in Deutschland, die die Aktion großflächig anbietet. Das finde ich schon mal ziemlich stark. In diesem Jahr war an Sonderaktionen schon ziemlich viel – mit dem Kirchentag in Nürnberg und der deutschlandweiten Taufinitiative mit sehr vielen Tauffesten.
Auch in Bayern wird der 24.9.2023 sicher an vielen Orten "auf kleiner Flamme" durchgeführt; umso wichtiger ist es, dass wir mit dem 22.9.2024 einen festen Termin für das nächste Jahr haben – mit mehr Vorlauf.

Gehrig: Hier wird sich das Gottesdienstinstitut stark einbringen, dass die Initiative nicht nur eine einmalige Aktion ist, sondern dass der Termin "Gottesdienst erleben" im Jahr 2024 und in den folgenden Jahren zu einer flächendeckenden und gemeinsamen Aktion wird, sodass neue Menschen einen Zugang zu unseren Gottesdiensten finden und wir uns im Bereich Gottesdienst, Gastfreundschaft und persönliche Einladung weiterentwickeln.

Die Aktion soll künftig jedes Jahr laufen. Müsste sie nicht auch außerhalb eines Turnus zum Handwerkszeug beflissener Gottesdienstbesucher werden?

Wolf: Das ist absolut richtig, das sollte eigentlich bei jedem Gottesdienst selbstverständlich sein. Wir merken aber, dass da bei uns an vielen Stellen noch Luft nach oben ist. Und deshalb ist die Aktion "Gottesdienst erleben" ein Anlass, das einzuüben. "Übung macht den Meister" – deswegen braucht es regelmäßige "Back to Church"-Sonntage. Die Entwicklung einer Bereitschaft zum persönlichen Einladen und einer Haltung der Gastfreundschaft müssen eingeübt werden und brauchen Zeit.

Gehrig: Darüber hinaus hat die Aktion auch einen internen Effekt:

Neben dem eigentlichen Einladen wird man sich die Frage stellen, wie ein Gottesdienst aussieht, zu dem ich gerne und guten Gewissens einladen kann. Wenn man über diese Frage ins Gespräch kommt, wird sich auch die Gottesdienstkultur in den Gemeinden verändern.

Es ist gut, sich selbst und andere wertschätzend wahrzunehmen – mit den je eigenen Bedürfnissen, dem eigenen Musikgeschmack, den unterschiedlichen Wünschen an Formen von Beteiligung usw. Sich zu fragen, wie Gottesdienste als einladend empfunden werden, wird hoffentlich das gottesdienstliche Leben insgesamt prägen – nicht nur Ende September.

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H. Will am Mo, 18.09.2023 - 10:57 Link

Sicherlich eine sinnvolle Aktion - nur ist sie leider noch nicht einmal bei den bayerischen Gemeinden angekommen: Eine Suche mit dem Suchbegriff "Back to Church" in "evangelisch Termine Bayern" ergab 3 Treffer: Immanuel-Nazareth-Kirche München, St. Stephan Würzburg und St. Lukas Regensburg. Mit dem Suchbegriff "Gottesdienst erleben“ erhält man nur einen Eintrag vom Dekanat Scheinfurt. Wie will die Landeskirche ihre Mitglieder erreichen, wenn sie nicht einmal ihre Gemeinden erreicht?