An ihm und seinen Werken schieden sich die Geister schon zu Lebzeiten. Von "fieberhaften Träumen eines leichtbeweglichen kranken Gehirns" schrieb Johann Wolfgang von Goethe über die Märchen von E.T.A. Hoffmann (1776-1822). Joseph von Eichendorff lehnte die Romane seines Kollegen ab und Wilhelm Grimm fällte ein vernichtendes Urteil:

"Dieser Hoffmann ist mir widerwärtig mit all seinem Geist und Witz von Anfang bis zu Ende."

Anders lasen ihn die Franzosen und Russen. Victor Hugo und Théophile Gautier, Nikolai Gogol und Fjodor Dostojewski ließen sich von dem deutschen Romantiker inspirieren, Jacques Offenbach machte ihn zum Helden seiner Oper "Hoffmanns Erzählungen". Und in den USA reagierte Edgar Allen Poe auf die Schattenseite der Romantik, die Hoffmann bloßgelegt hatte.

Auf seinem Grabstein steht E.T.W.

Vor 200 Jahren, am 25. Juni 1822, ist Ernst Theodor "Amadeus" Hoffmann in Berlin gestorben. Auf seinem Grabstein auf dem Friedhof III der Jerusalems- und Neuen Kirche vor dem Halleschen Tor in Kreuzberg steht aber E.T.W. - wie Wilhelm. Auf diesen dritten Vornamen war der am 24. Januar 1776 in Königsberg geborene Künstler getauft worden. Da er aber Wolfgang Amadeus Mozart so liebte, hat er ihn später geändert, dafür steht das "A" in E.T.A.

Hoffmann war vor allem Jurist wie sein Vater: "Kammer Gerichts Rath". Aufgewachsen im kauzigen Haushalt seiner psychisch labilen Mutter fand er Halt bei seinem lebenslangen Freund Theodor Gottlieb Hippel, den er auf der Königsberger Burgschule kennengelernt hatte. Nach seinem zweiten Staatsexamen und einer Ausbildung zum Organisten ging er als Referendar ans Berliner Kammergericht.

Mit Karikaturen keine Freunde gemacht

Er komponierte, zeichnete und dichtete neben seiner juristischen Brotarbeit. Nach dem dritten Staatsexamen wurde er 1800 nach Posen versetzt. Dort lernte er seine polnische Ehefrau Marianne Thekla Michaelina Rorer kennen - und verscherzte sich mit Karikaturen der örtlichen Honoratioren alle öffentlichen Sympathien.

Er wurde strafversetzt nach Plock und ging bald nach Warschau. Dort lernte er seinen zweiten Lebensfreund kennen, den Juristen Eduard Hitzig. Als Napoleon 1806 Warschau besetzte, verweigerte Hoffmann den Huldigungseid und verließ die Stadt Richtung Berlin, während seine Frau und Tochter Cäcilia in Posen blieben.

Finanziell am Ende

Im Frühjahr 1808 war er finanziell am Ende. Hippel half aus. Eine Anstellung als Kapellmeister in Bamberg scheiterte bald, aber nun begann Hoffmann ernsthaft zu schreiben. Er verfasste Musikkritiken für die "Allgemeine musikalische Zeitung" in Leipzig, wo er auch seine erste Erzählung veröffentlichte: "Ritter Gluck". 1814/15 wurde sie in seine "Phantasiestücke in Callots Manier" aufgenommen, wie auch "Der goldene Topf". Hoffmann hielt das Kunstmärchen für sein bestes Stück, in Baden-Württemberg ist es aktuell Abiturstoff. 1816 wurde Hoffmanns Zauberoper "Undine" uraufgeführt.

Schon damals erfand er in seinen "Kreisleriana" sein literarisches Alter Ego: den exzentrischen Kapellmeister Johannes Kreisler, der 1819/21 in seinem Roman "Lebensansichten des Katers Murr" wiederkehrt. Der Kater mit seinen bürgerlich-engstirnigen Ansichten und die zerrissene Künstlerexistenz Kreisler - sie verkörpern die lebenslange Auseinandersetzung des Künstlers mit sich selbst. "Nachts 'Kater Murr' von Hoffmann (gelesen)", notierte Thomas Mann, als er an seinem "Doktor Faustus" arbeitete.

Nachtseite der Romantik

Hoffmann hat Seelenabgründe aufgerissen, die Nachtseite der Romantik. Dazu hatten ihn die gothic novel aus England und die Geheimbundromane der Romantik angeregt. Seine Seelen-Gespenster suchen den mörderischen Mönch Medardus in den "Elixieren des Teufels" (1816) heim und spuken durch die "Nachtstücke" (1815/17).

Dazu gehört auch die Erzählung "Der Sandmann" - die "Geschichte einer Persönlichkeitsspaltung", wie der Philosoph Rüdiger Safranski meint. Der Dichter "lebte in der Furcht, wahnsinnig zu werden, wenn seine Phantasien ihn überwältigten". Von Hoffmanns Angst vor dem "Absturz in den Wahnsinn", sprach vor Kurzem auch der Frankfurter Literaturwissenschaftler Achim Geisenhanslüke auf einer Tagung in Mannheim. Der Germanist Wulf Segebrecht sieht aber auch den Willen, Ganzheit und Einheit zu schaffen:

"Im 'Kater Murr' hat der Humor etwas zu vereinen, was anders nicht miteinander in Einklang zu bringen ist."

Die "Duplizität des Seins", Rationalität und fantastische Welt, musste schon der Student Anselmus im "Goldenen Topf" anerkennen. In der "Prinzessin Brambilla" (1820) ist sie ganz im karnevalesken Humor aufgehoben. In seiner Erzählungssammlung "Die Serapionsbrüder" (1819/21) lieferte Hoffmann mit "Nussknacker und Mäusekönig" die Vorlage für das gleichnamige Ballett von Peter Tschaikowski.

Disziplinarverfahren wegen Parodie

Nach Napoleons Niederlage 1815 war der Dichter-Jurist ans Berliner Kammergericht zurückgekehrt. In der Weinstube Lutter & Wegner machte er Schulden. Nun bekam er es mit Metternichs Restauration zu tun: Seine Parodie eines Polizeidirektors in dem Roman "Meister Floh" trug ihm ein Disziplinarverfahren ein. Seine Verteidigungsschrift konnte er nur noch diktieren. E.T.A. Hoffmann starb 1822 in Berlin an Atemlähmung.

Die E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft in Bamberg pflegt sein Andenken, auch wenn sein Wirken in der oberfränkischen Stadt nur von kurzer Dauer war. Sein Erbe ist aber immer noch spürbar. Das Theater in Bamberg und ein Gymnasium sind nach ihm benannt. Neben dem E.T.A Hoffmann Theater befindet sich auch das E.T.A. Hoffmann-Haus. Hier lebte der Autor von 1809 bis 1813 mit seiner Frau. Heute ist dort ein Museum zu Ehren des Schriftstellers untergebracht.