In extremen Ausnahmesituationen haben Schwerkranke in Deutschland ab sofort Anspruch auf eine tödliche Dosis Betäubungsmittel. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig vergangene Woche entschieden. Die Richter begründeten ihre Entscheidung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Dies umfasse »auch das Recht eines schwer und unheilbar kranken Patienten zu entscheiden, wie und zu welchem Zeitpunkt sein Leben beendet werden soll – vorausgesetzt, er kann seinen Willen frei bilden und entsprechend handeln«.

Anders gesagt: Es gibt ein Recht auf den selbstbestimmten Tod. Das hört sich im ersten Moment logisch und richtig an. Bei genauerer Betrachtung der Gerichtsentscheidung und ihrer Begründung tun sich aber mehrere Konflikte auf.

Am offensichtlichsten ist wohl die Definition einer »extremen Ausnahmesituation«. Dies wird nicht näher erläutert, sondern liegt in der Entscheidungsgewalt einer Behörde – dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte –, die die tödlichen Substanzen genehmigt. Dass eine staatliche In­stanz darüber entscheidet, wann ein menschliches Leben nicht mehr lebenswert ist, ist alleine schon ein Skandal.

Durch die Lockerung der Sterbehilfe-Praxis könnten Menschen, die trotz schwerer Krankheit leben wollen und auf Hilfe angewiesen sind, in einen Rechtfertigungszwang kommen. Entscheiden zu müssen, niemandem – schon gar nicht den eigenen Kindern – durch einen länger dauernden Sterbeprozess zur Last zu liegen.

Denn die Sache mit dem freien Willen stellt ein Problem dar. Für Pharmazeuten gibt es da nur ein Entweder-oder.

Doch ist die Selbsttötung tatsächlich in jedem Fall selbstbestimmt? Wohl kaum. Vielmehr ist anzunehmen, dass ein frei gewählter Suizid nicht der Herzenswunsch derjenigen sein dürfte, die ihn begehen. Wahrscheinlicher sind es äußere Umstände, die Menschen zu diesem drastischen Schritt zwingen.

Vor allem die Todesqualen, die beim »selbstbestimmten Tod« vermieden werden sollen, sind ein Mythos. Die Palliativ­medizin ist inzwischen so fortgeschritten, dass kein Mensch unter schlimmster Pein dahinsiechen muss. Zum Beispiel kann das Betäubungsmittel Morphium in beliebiger Höhe verabreicht werden.

Doch die Palliativversorgung hat einen schweren Stand: Schmerztherapie kostet das Gemeinwesen eine Menge Geld. Und volkswirtschaftlich gesehen kommt dabei nichts raus.

Günstiger und effizienter ist da natürlich der assistierte Suizid.

 

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