"Da komme ich kaum mit meinem Pinsel hin, er hat es aber mit dem Werkzeug geschafft", staunt Katrin Müller. Die Diplom-Restauratorin aus dem unterfränkischen Rügheim hat in ihrem Arbeitsleben schon viel gesehen. Sie kommt aber ins Schwärmen, wenn sie über ihre Arbeit an den Steinreliefs mit Szenen der Passion Christi von Adam Kraft spricht, auch wenn sie schon seit April 2015 nahezu ununterbrochen an ihnen in der Kartäuserkirche des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg werkelt, hintereinander gestaffelte Bildebenen und freiplastische Teile freilegt und vor allem eins macht: sauber.

Denn die sieben Darstellungen des Weges Christi nach Golgatha waren nicht immer im geschützten, musealen Raum. Jahrhundertelang befanden sie sich auf dem Wallfahrtsweg, der von der Nürnberger Altstadt zum Johannisfriedhof führte, waren in Häuserwänden oder Gartenmauern eingebaut. Daher auch mal übertüncht oder gestrichen. Im Lauf der Jahrhunderte musste der Sandstein manche Umbau- und Umweltsünde miterleben, von denen eine stattliche Kruste zeugt, die mit dem gepulsten Strahl eines 20-Watt-Lasers Stück für Stück abgearbeitet wird. Die Arbeiten werden sich noch einige Monate hinziehen. 125.000 Euro kostet die Restaurierung, von denen zwei Drittel die Ernst-von-Siemens-Kunststiftung sponsert, weitere Gönner und letztlich das Museum selbst legten den Rest drauf.

Jesus im Germanischen Nationalmuseum
So strahlend weiß war dieser Jesus 500 Jahre nicht mehr.

Doch die Arbeit lohnt sich. "Wir haben es hier mit einem Top-Werk deutscher Kulturgeschichte zu tun", erklärt Frank Matthias Kammel, Sammlungsleiter für Skulptur bis 1800 am GNM, der Adam Kraft in einem Atemzug mit Tilman Riemenschneider und Veit Stoß nennt. "Vielen Nürnbergern ist ihr Schatz gar nicht so bewusst", ergänzt er mit Blick auf die Werke, die in den Jahren 1505 bis 1508 entstanden sind und den dritten solchen Kreuzweg überhaupt bilden.

Also mal genauer hinsehen: Die biblischen Figuren scheinen lebendig, ausdrucksstark, detailreich. Und sie haben selbst in Stein viel mitgemacht. Wie in der Szene, als Veronika Christus das Schweißtuch reicht. Das Bild barst bei einem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg in rund 50 Einzelteile, die in glühenden Schutt fielen. Harze oder Öle, die bei früheren Restaurierungsversuchen aufgetragen worden waren, drangen ins Gestein. Bürger brachten sie ins GNM, wo sie wieder zusammengesetzt und die Risse mit dunkler Farbe kaschiert wurden. Rund 70 Jahre später ist das Bild ein Fall für Katrin Müller, die mittels einer Lauge die Stoffe entfernte. "Wir arbeiten mit allen Tricks", sagt sie. Diesmal hoffentlich für die Ewigkeit.