Librettist Tim Rice und Komponist Andrew Lloyd Webber waren selbst gerade mal Anfang 20 Jahre alt, als sie ihre Passionsgeschichte über die letzten sieben Tage Jesu in New York uraufführten. Damals wie heute ruft das Werk religiöse Fanatiker wie Kirchenkritiker einerseits auf den Plan - denn das Musical ist gespickt mit Machtspielchen, Profilierungs- und Harmoniesüchtigen oder auch Umsturzgedanken aufführten. Andererseits sind die Melodien und Songs mittlerweile unsterblich geworden.

Schon in Lukas Mayers Kinderzimmer drehte sich die Aufnahme von "Jesus Christ Superstar" regelmäßig im CD-Player. Aber auch zahlreiche andere Musical-Klassiker liefen: "Bereits mit 13 wusste ich, dass ich Sänger und Schauspieler werden will", erinnert sich der heute 24-Jährige. Sein Ziel war, an der Folkwang-Universität der Künste in Essen aufgenommen zu werden. Das gelang. Nach dem Abitur ging der Weg für den gebürtigen Augsburger dort weiter. 2019 errang er den 1. Preis beim "Bundeswettbewerb Gesang Berlin" in der Kategorie Musical/Chanson, spielte dann in Produktionen in Dortmund, St. Gallen, Bern und Amstetten mit.

Jesus-Darsteller Mayer: "Eine ganz andere Verantwortung"

Der Jesus in Nürnberg ist etwas Besonderes. "Die Rolle ist wohl eine der schwersten Partien unseres Genres, sie stand immer ganz oben auf meiner Liste", sagt Mayer. "Und man spielt natürlich Jesus. Das ist eine ganz andere Verantwortung." Die spüre er auch, weil ihn Jesus schon als junger Mensch begleitet habe. Besonders ab der achten Klasse, als Mayer nach Mobbing-Erfahrungen an seiner vormaligen Schule ans katholische Augsburger Maria-Ward-Gymnasium kam.

"Da war plötzlich eine richtige Zuwendung da. Viele Dinge in meinem Leben haben sich zum Positiven gewendet."

In Religion machte Mayer schließlich auch Abitur.

Für die Vorbereitung auf die Rolle als Jesus in der Produktion unter der Regie von Andreas Gergen in Nürnberg hat sich der Künstler mit den früheren Aufführungen der Rock-Oper befasst. Er hat sich von seiner ehemaligen Religionslehrerin Literaturtipps außerhalb der Bibel über Jesus geholt.

"Eigentlich ist Jesus so groß, dass er unspielbar ist", findet Mayer. Wenn man es aber als gegeben hinnehme, dass da jemand ist, der eben mit Gott spricht, könne man die menschlichen Seiten an der Figur viel besser entdecken und spielen. Jesus verliere so den Anschein als verklärter Heiliger, "sein Handeln und Reden wird plötzlich ganz natürlich", sagt Mayer.

Mayer sieht sich als Jesus-Verteidiger

Ob mehr oder weniger religiös - viele Menschen hätten einen Bezug zu den Personen und den Geschichten aus der Bibel. Das mache es für das Team von "Jesus Christ Superstar" einerseits einfach, die Handlung zu erzählen. Andererseits bringe jeder Theatergast eben feste Bilder und Meinungen mit, die während der rund zweistündigen Aufführung bestätigt oder enttäuscht werden können. "Ich sehe mich jedenfalls als Jesus-Verteidiger, der seine Handlungen rechtfertigen muss", umreißt Mayer, wie er seine Rolle rezipiert sehen will. Je mehr er es schaffe, wie Jesus zu denken, umso besser werde es für alle anderen auf der Bühne.

Die Besucherinnen und Besucher sollen "seinen Jesus" als einen jungen Mann erleben, "der ein bisschen mehr weiß, als alle anderen und durch dieses Wissen die Menschen in die richtige Richtung bringen will". Jesus sei nicht der unantastbare Heilige, erläutert Mayer. Auch sein "Gegenspieler" Judas, der im Musical auch teilweise freundlich dargestellt wird, "ist nicht der böse, eindimensionale Verräter".

Szene aus "Jesus Christ Superstar" am Staatstheater Nürnberg
Szene aus der aktuellen Inszenierung von "Jesus Christ Superstar" am Staatstheater Nürnberg.

So ist die Inszenierung am Nürnberger Staatstheater

Kunterbunt und schnell geht es zu auf der Bühne. Regisseur Andreas Gergen lässt dem Zuschauer kaum Raum für Atem. Das Bühnenbild wechselt regelmäßig, die Band spielt einen gekonnten Mix aus Rock, Pop und Balladeskem. Was wie eine Reizüberflutung klingt, kommt dem ursprünglichen Gedanken hinter "Jesus Christ Superstar" aber nahe. Es sollte ja eine Rock-Oper sein. Die ist heute zwar längst Teil des Kulturerbes der Nachrkriegskultur. In Nürnberg wird sie aber mit zeitgenössischen Elementen vermengt. Da sieht man Regenbogenflaggen ebenso auf der Bühne wie weibliche Protestierende, die "Maria 2.0"-Plakate vor sich tragen.

Das Geschehen spielt sich in und um den Vatikan ab. Ein Szenario, das sich jedermall schnell erschließt - und das genau in diese Zeit passt, in der sich über Missbrauchsskandale die Gemüter an der Kirche erhitzen. Die rund zwei Stunden Nettospielzeit vergehen jedenfalls wie im Fluge und sind bei allem Tempo keineswegs oberflächliche, leichte Kost. Im Gegenteil: Jesus blutüberströmt, nach Luft japsend und die dazu aufgeregte Menge - das reißt mit und ist ungeheuer eindringlich.

Die gesangliche wie schauspielerische Leistung von Lukas Mayer als Hauptfigur ist erstklassig. Der junge Akteur meistert die hohen, kraftvollen Töne ebenso wie die tieferen, leisen Passagen. Ihm mindestens ebenbürtig ist Tim Ordeloh als Judas, der sich auch als "Shouter" in einer Heavy-Metal-Band gut machen würde. Und auch die anderen Akteurinnen und Akteure geben eine mehr als solide Figur in diesen Parforce-Ritt der Passionsgeschichte ab. "Jesus Christ Superstar" als anspruchsvolleres Popcorn-Kino - so macht´s nicht nur betroffen angesichts der blutrünstigen Geschichte, sondern sogar noch ein bisschen Spaß.

Weitere Termine sind bislang bis zum 16. Juli geplant. Alle Infos hier.

 

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden