Auch Axel Piper spürt die Folgen der Corona-Pandemie. Eine seiner wichtigsten Aufgaben sei die Begegnung mit Menschen, das Gespräch, die Vernetzung. Das alles sei derzeit kaum möglich, sagt Augsburgs Regionalbischof. Und doch blickt er zuversichtlich darauf, was im neuen Jahr auf ihn und die Gemeinden im Kirchenkreis zukommt.

Herr Piper, mit welchem Gefühl gehen Sie in das Jahr 2021?

Axel Piper: Trotz allem mit Optimismus. Mir ist bewusst, dass die jetzige Situation noch schwieriger ist, als etwa beim Lockdown im Frühjahr. Die Unsicherheit ist größer geworden. Das merke ich, wenn ich mit Pfarrerinnen und Pfarrern rede. Viele sind genervt, weil es immer wieder neue Beschränkungen gibt und man nicht weiß, wie es weitergeht. Und doch bin ich zuversichtlich: Weil dieser Winter nicht ewig dauern wird, weil ich mir viel vom Impfen erhoffe – und weil wir in der Pandemie auch viel gelernt haben.

Was zum Beispiel?

Piper: Etwa dass es kein Hexenwerk ist, einen Gottesdienst zu streamen. Wir denken Gottesdienste jetzt anders.

Es muss nicht immer die althergebrachte Zusammenkunft in der Kirche sein. Man kann die Menschen auch über elektronische Medien gut erreichen.

Oder nehmen Sie Weihnachten: Viele Gemeinden waren gezwungen, sich Gedanken zu machen, wie sie die Leute erreichen. In Augsburg wurde vom Lkw herunter gepredigt, in Nördlingen gab es einen Gottesdienst in einer offenen Reithalle. Kirche musste raus zu den Menschen.

Die Pandemie hat also auch etwas Gutes?

Piper: Ich würde eher sagen, sie verändert vieles. Ich glaube nicht, dass jemand deshalb Gefallen an der Pandemie findet. Aber die Pfarrerinnen, Pfarrer und Kirchengemeinden denken kreativ über Alternativen nach. Und ich hoffe, diese Kreativität bleibt uns auch nach Corona erhalten.

Herkömmliche Gottesdienste sind seit Monaten nur eingeschränkt möglich. Viele Menschen bleiben deshalb zu Hause. Wird das negative Auswirkungen auf die Gemeinden haben?

Piper: Diese Angst ist natürlich da. Es ist ja auch nicht schön, einen Gottesdienst mit so wenigen Menschen zu feiern, die so weit voneinander entfernt sind – ohne Gesang und mit einem sehr sparsamen Abendmahl. Daran wollen wir uns gar nicht gewöhnen. Aber mich treibt natürlich schon die Sorge um, wie es sein wird, wenn Gottesdienste wieder normal stattfinden können: Haben sich die Menschen den Kirchgang dann abgewöhnt? Dieser Frage werden wir uns stellen müssen.

Was kann daraus folgen?

Piper: Ich glaube, dass unsere normalen Präsenzgottesdienste noch einmal auf den Prüfstand kommen. Müssen sie etwa wirklich so lang sein, wie es bisher der Fall war. Das ist etwas, das uns Corona gelehrt hat: Gottesdienste können kurz sein und funktionieren dennoch – genauso wie ein Gottesdienst per Video-Stream. Und auch über Gottesdienstformen außerhalb der Kirchen werden wir verstärkt nachdenken müssen. Kirche muss zu den Menschen hingehen – auch das ist etwas, das die Pandemie uns gezeigt hat.

Immerhin dürfen Gottesdienste noch stattfinden. Andere Institutionen, Vereine oder Betriebe mussten dagegen schließen. Ist die Sonderrolle der Kirchen gerechtfertigt?

Piper: Aus meiner Sicht ja.

Die Religionsfreiheit ist ein hohes Gut in unserer Gesellschaft. Schon alleine deshalb halte ich es für gerechtfertigt, dass die Kirchen offen bleiben.

Überdies haben wir von Anfang an peinlich genau darauf geachtet, die Hygienevorschriften einzuhalten. Bei einem Gottesdienst besteht keine Ansteckungsgefahr. Aber ich weiß natürlich, dass auch andere das für sich reklamieren. Und es tut mir leid für alle, die schließen müssen – und die die Gesellschaft dringend braucht, wie etwa Kulturbetriebe oder Vereine.

Welche Aufgabe kommt 2021 auf die Kirche und die Kirchengemeinden zu?

Piper: Unser Auftrag wird es sein, nicht den Mut zu verlieren. Solange die Krise anhält, müssen wir mit viel Fantasie und Anstrengungen die Menschen erreichen. Und wenn sie endlich vorbei ist, sollten wir mit geschärftem Blick alles anschauen, was wir bisher für normal und unumstößlich gehalten haben. Wir können nach der Pandemie nicht einfach weitermachen wie vorher. Wir müssen uns fragen: Was haben wir daraus gelernt für die kirchliche Arbeit – und was ist uns wirklich wichtig?

Kommentare

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Heiner (nicht überprüft) am Mi, 20.01.2021 - 10:13 Link

Es ist traurig, dass den Kirchen immer Sonderrechte eingeräumt werden. Religionsfreiheit ist doch nicht gleichbedeutend mit Religionsprotektionismus.

Thomas (nicht überprüft) am So, 24.01.2021 - 23:44 Link

Eine offene Kirche ist sicher ein Ausdruck von Religionsfreiheit. Aber es ist auch mehr...es ist ein Ort an dem man seinen Sorgen und Ängsten Ausdruck verleihen kann und das haben wir gerade jetzt bitter nötig.