München, Leipzig (epd). Die Ausgangsbeschränkungen in Bayern während der ersten Welle der Corona-Pandemie waren unverhältnismäßig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht am Dienstag in Leipzig entschieden (Az. 3 CN 2.21). Mit dem Urteil bestätigte der Dritte Senat in Leipzig einen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs von Oktober 2021 und wies die Revision der bayerischen Staatsregierung dagegen zurück. Hierbei ging es vor allem um die Auflage, dass das Verlassen der Wohnung nur dann erlaubt war, wenn triftige Gründe vorlagen. Die bayerische Verordnung war vom 31. März bis zum 19. April 2020 gültig.

Der Dritte Senat urteilte, dass die bayerische Staatsregierung damals andere Entscheidungen hätte treffen müssen. "Als mildere Maßnahme kamen hier Beschränkungen des Kontakts im öffentlichen und privaten Raum in Betracht, mit denen das Verweilen im Freien allein oder ausschließlich mit Angehörigen des eigenen Hausstandes nicht untersagt worden wäre", sagte die Vorsitzende Richterin Renate Philipp. Diese hätten die Menschen weniger belastet als eine Ausgangsbeschränkung. Es sei zwar das Verlassen der Wohnung für Sport und Bewegung erlaubt gewesen, aber nicht für bloßes Verweilen an der frischen Luft, um etwa auf einer Parkbank ein Buch zu lesen.

"Das ganztägig und damit auch während der Tagstunden geltende Verbot, die eigene Wohnung zum Verweilen im Freien zu verlassen, war ein schwerer Eingriff in die Grundrechte der Menschen", führte Philipp aus. "Für die Verhältnismäßigkeit hätte vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof plausibel dargelegt werden müssen, dass es über eine Kontaktbeschränkung hinaus einen erheblichen Beitrag zur Erreichung des Ziels leisten konnte, physische Kontakte zu reduzieren und dadurch die Ausbreitung von Covid-19 zu verhindern." Daran habe es gefehlt.

Der heutige bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sagte nach der Entscheidung, in der ersten Pandemie-Welle habe rasch zum Schutz der Menschen gehandelt werden müssen. Die Staatsregierung sei überzeugt, dass die Ausgangsbeschränkungen "zum Wohl und zur Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger Bayerns aus damaliger Sicht ein wirksames und richtiges Mittel waren". Daran ändere sich nichts, wenn rückblickend Gerichte zu einer anderen Einschätzung kommen. Er räumte ein, bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie sei auch" juristisch oft Neuland betreten" worden.

Der bayerische SPD-Fraktionsvorsitzender Florian von Brunn sagte, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) habe "die Bayerinnen und Bayern ohne ausreichenden Grund und rechtswidrig eingesperrt". Er habe das bayerische Lebensgefühl - die Liberalitas Bavariae - mit Füßen getreten. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Martin Hagen forderte, den Bürgern, die wegen Verstößen gegen die damalige Verordnung ein Bußgeld zahlen mussten, sollte das Geld zurückgezahlt werden. "Damit könnte der Staat einer Welle von Wiederaufnahmeverfahren zuvorkommen."

Für Sachsen urteilte ebenfalls der Dritte Senat am Dienstag, dass die Einschränkungen durch die dort geltende Corona-Schutzverordnung rechtmäßig waren (Az. 3 CN 1.21). Hier bestätigten die fünf Bundesrichter ein Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts von Oktober 2021 und wiesen die Revision eines Leipziger Rechtsanwalts zurück. Der Anwalt hatte die Kontaktbeschränkungen sowie die Schließung der Restaurants und Sportstätten rückwirkend für rechtswidrig erklären lassen wollen.