Würzburg (epd). In den vergangenen Jahren waren einige Kinder und Jugendliche einem höheren Risiko ausgesetzt, eine psychische Erkrankung zu entwickeln, als andere: "Das Schwierige in der Diskussion ist, dass man gerne pauschale Aussagen treffen möchte über 'unsere Kinder', aber den Kindern geht es extrem unterschiedlich", sagte der Klinikdirektor der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Uniklinikum Würzburg, Marcel Romanos, dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Die Pandemie hat diese Unterschiede noch verstärkt." Beispielsweise seien Mädchen in der Pandemie stärker von Angsterkrankungen oder Essstörungen betroffen gewesen als Jungen.

Zu den besonders gefährdeten Gruppen gehören dem Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie zufolge Kinder mit Behinderung oder psychischer Vorbelastung, Kinder mit Migrationshintergrund und solche, die in Armut leben oder deren Eltern krank sind. Die Versorgung von jungen Menschen sei in Deutschland und auch in Bayern strukturell grundsätzlich gut. "Die Frage ist aber immer: Kommen die, die es am meisten brauchen, auch in diese Strukturen rein?", erläuterte der Facharzt. Die besonders vulnerablen Gruppen seien auch mit den größten Barrieren konfrontiert, in die Versorgung zu kommen.

"Eine Psychotherapie zu bekommen, erfordert eine hohe soziale Kompetenz, auch eine gewisse Beharrlichkeit und Geduld. Das heißt am Ende bekommen diejenigen die Therapie, die am kompetentesten sind." Besonders stark Betroffene seien am wenigsten dazu in der Lage, sich Hilfe zu holen. Dies könne durch Netzwerke und Strukturen gelöst werden, die gut ineinandergreifen und gut zwischen pädagogischen Systemen, Sozialhilfen und dem therapeutischen System kommunizieren. "Das gelingt regional unterschiedlich gut", sagte Romanos.

Um die Frage der Versorgung psychisch belasteter junger Menschen geht es auch beim Fachtag der Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit Bayern an diesem Mittwoch (23. November) in Nürnberg, auf dem Romanos Hauptredner sein wird. Erwartet werden rund 100 Teilnehmende aus der Jugendsozialarbeit, der Politik, von Jugendämtern und Arbeitsagenturen. "Wichtig ist mir, dass es gute Best-Practice-Beispiele für eine regionale Vernetzung gibt", sagte Romanos, "damit Kinder in diesem Netzwerk gut versorgt sind." Die Jugendsozialarbeit sei ein wichtiger Baustein, weil sie ein niederschwelliges Angebot geben könne. In der Diskussion auf dem Fachtag müsse es aber auch darum gehen, wie Kinder und Jugendliche weitergehende Hilfe bekommen können, wenn die Grenzen der Jugendsozialarbeit erreicht seien, ohne dass sie deren Unterstützung verlieren.