Würzburg (epd). Einer neuen Studie der Uni Würzburg zufolge war der R-Wert zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 wesentlich niedriger als gedacht. Die sogenannte Basisreplikationszahl R0 beschreibe die Anzahl von Personen, die ein Infizierter in einer bislang noch nicht mit einem Virus in Kontakt getretenen Bevölkerung ansteckt, teilte die Uni Würzburg am Mittwoch mit. Damit sei R "ein Schlüsselfaktor", um Vorhersagen für die Ausbreitung eines Virus zu treffen. Allerdings seien bei der Berechnung des R-Werts nach Einschätzung der Würzburger Forscher Fehler gemacht worden.

Das Robert Koch-Institut gehe beispielsweise von einem R-Wert im Bereich zwischen 2,8 und 3,89 aus - ab einem Wert über 1,0 ist zu erwarten, dass sich eine Infektionskrankheit weiter ausbreitet. All den errechneten R-Werten, ob vom RKI oder der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sei gemeinsam, "dass sie auf der Inzidenz von SARS-CoV-2-Infektionen beruhen", die mittels PCR-Test nachgewiesen wurden, sagt Virologe Carsten Scheller. Der Haken daran: Die Schätzungen sind von den Merkmalen der getesteten Population, den Teststrategien und der Zahl der verfügbaren Tests abhängig.

Das Würzburger Forscherteam aus Virologen und Bioinformatikern suchte sich deshalb eine andere Datengrundlage für die Berechnung des R-Werts - die sogenannte Übersterblichkeit, also den Anstieg der Sterblichkeit im Vergleich zu den Vor-Corona-Jahren. Bei diesen Berechnungen kamen sie zu dem Ergebnis, dass der R-Wert im März 2020 bei 1,34 gelegen habe. Dies entspreche "einem saisonalen Bereich von 1,68 im Januar und einem Minimum von 1,01 im Juli". Der niedrige R-Wert sei demnach wohl viel eher für den Rückgang der Infektionszahlen verantwortlichen als der Lockdown.

Die Autoren rund um Virologie-Professor Carsten Scheller und Bioinformatik-Professor Thomas Dandekar haben die Ergebnisse ihrer Studie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Scientific Reports" veröffentlicht. Die Autoren seien sich bewusst, "dass auch ihr Modell gewissen Einschränkungen unterliegt", hieß es weiter. So könnten etwa auch durch die Pandemie ausgelöste medizinische Engpässe zu einem Anstieg der Übersterblichkeit geführt haben. Dies würde "zu einer Überschätzung des R-Werts führen".