Bonn, München (epd). Die Folgen der Corona-Pandemie sind für Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt noch immer spürbar. Zwar sinken die Arbeitslosenzahlen nach Jahren der Krise wieder, und die Arbeitslosenquote unter Behinderten liegt bei 11,5 Prozent (2021: 11,8 Prozent), wie die Aktion Mensch in ihrem am Mittwoch vorgelegten Inklusionsbarometer Arbeit 2022 festhält. Gleichzeitig verschärfe sich jedoch die Langzeitarbeitslosigkeit.

Mit einem Anteil von 47 Prozent sei nahezu die Hälfte (80.000) aller arbeitslosen Menschen mit Behinderung mindestens ein Jahr ohne Beschäftigung, hieß es. Dies bedeute ein Plus von über fünf Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr. In Bayern liegt der Anteil mit 39 Prozent etwas niedriger.

Erholung und Fortschritt der Inklusion auf dem Arbeitsmarkt scheiterten dabei insbesondere an der Beschäftigungsbereitschaft der Unternehmen, heißt es in der mittlerweile zehnten Erhebung des Handelsblatt Research Institutes im Auftrag der Aktion Mensch.

Die Mehrheit der Unternehmen kaufe sich frei, lautet ein kritisches Fazit der Erhebung. Etwa 29.000 Unternehmen in Bayern seien gesetzlich dazu aufgefordert, mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze an Menschen mit Behinderung zu vergeben. Während rund 40 Prozent dieser Unternehmen alle Pflichtarbeitsplätze besetzten, beschäftigten fast 27 Prozent keinerlei Arbeitnehmer mit Behinderung. Damit liegt Bayern genau im Bundesdurchschnitt.

"Sie entziehen sich gänzlich ihrer Verpflichtung und zahlen stattdessen die volle Höhe der sogenannten Ausgleichsabgabe", hieß es in dem Bericht. Dabei würden 80 Prozent der bundesweit befragten Unternehmen angeben, keine Leistungsunterschiede zwischen Kollegen mit und ohne Behinderung wahrzunehmen.

Bert Rürup, Präsident des Handelsblatt Research Institutes, sprach von einem Rückstau bei den Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik, von denen insbesondere Langzeitarbeitslose profitieren. Viele Maßnahmen seien in den vergangenen Jahren aufgrund der Pandemie ausgefallen, erklärte er. Die durch den russischen Überfall auf die Ukraine ausgelöste Energiepreiskrise lasse einen Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Leistung erwarten. Menschen mit Behinderung, die einmal in der Arbeitslosigkeit seien, spürten die negativen Auswirkungen von Wirtschaftskrisen länger als Menschen ohne Behinderung. "Daher sollte alles getan werden, um Entlassungen zu vermeiden."

Seit 2013 erstellt das Handelsblatt Research Institute in Kooperation mit der Aktion Mensch jährlich das Inklusionsbarometer Arbeit. Basierend auf den jüngsten statistischen Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) und der Integrationsämter werden Indikatoren ausgewertet, die über den aktuellen Grad der Inklusion von Menschen mit Schwerbehinderung in den ersten Arbeitsmarkt Auskunft geben sollen. Die Analyse wird durch eine repräsentative Online-Umfrage unter 800 abhängig beschäftigten Menschen mit anerkannter Schwerbehinderung ergänzt sowie durch eine telefonische Umfrage unter Personalverantwortlichen von 500 Unternehmen, die Menschen mit einer anerkannten Schwerbehinderung beschäftigen.