München (epd). An diesem Donnerstag (20. Januar) erscheint das langerwartete unabhängige Gutachten über Fälle sexuellen Missbrauchs im Erzbistum München und Freising. Die Anwaltskanzlei "Westpfahl Spilker Wastl" untersuchte dabei den Zeitraum 1945 bis 2019, also auch die Münchner Amtszeiten von hochrangingen katholischen Würdenträgern wie dem emeritierten Papst Benedikt XVI. (1977-1982) und dem amtierenden Erzbischof Reinhard Marx (seit 2008). Letzterer will sich nun doch am Tag der Präsentation in der Öffentlichkeit äußern.

Das Erzbistum hatte diese Woche bekanntgegeben, sich erstmals am 27. Januar zum Gutachten äußern zu wollen - das 1.600 Seiten starke Papier wird laut Anwaltskanzlei nämlich niemandem vorab zur Verfügung gestellt, auch nicht dem auftraggebenden Erzbistum. Am Mittwoch teilte das Erzbistum dann mit, dass Kardinal Marx nun doch am Donnerstagnachmittag ein Pressestatement abgegeben wolle, bei dem es aber nicht um Inhalte gehen dürfte, sondern um eine erste Reaktion.

Wegen des großen Umfangs des Gutachtens werde die fundierte Befassung mit den Inhalten Zeit in Anspruch nehmen, teilte das Erzbistum am Mittwoch weiter mit. Es bleibt also dabei: Eine erste Stellungnahme zu den Inhalten soll es nach einer ersten Prüfung erst am 27. Januar geben. Kardinal Marx, Generalvikar Christoph Klingan und Amtschefin Stephanie Herrmann sei es aber ein Anliegen, möglichst bald mit dem Betroffenenbeirat und der Aufarbeitungskommission in der Erzdiözese in einen Austausch über das Gutachten zu treten, so das Erzbistum weiter.

Die Gutachter haben eigenen Angaben zufolge unter anderem geprüft, inwieweit "systemische Defizite" sexuellen Missbrauch durch Kleriker begünstigt haben könnten und gingen auch der Frage von persönlicher Verantwortung nach. Opferverbände erhoffen sich unter anderem Aufklärung über die Rolle Joseph Ratzingers, des heutigen emeritierten Papstes. Er soll 1980 dem Wechsel des Priesters Peter H. ins Erzbistum München und Freising zugestimmt haben, obwohl dieser zuvor einen Ministranten missbraucht haben soll.

Die Wochenzeitung "Die Zeit" berichtete Anfang Januar über die Vorwürfe und berief sich dabei auf ein außergerichtliches Dekret des Kirchlichen Gerichts der Erzdiözese München und Freising, wonach Joseph Ratzinger von der Tat gewusst haben soll. Ratzinger wies die Vorwürfe stets zurück. 2008 räumte Peter H. die Missbrauchsvorwürfe zum Teil ein. Kardinal Marx, der seit 2008 Münchner Erzbischof ist, wird zum Vorwurf gemacht, dass er den Fall nicht an den Vatikan gemeldet hat.

Eigentlich sollte das Gutachten bereits im vergangenen Jahr erscheinen, wurde aber wegen neuer Erkenntnisse um mehrere Monate verschoben.