Nürnberg (epd). Das Motto "Ökologisch denken, sozial handeln, Zusammenhalt nachhaltig stärken" ist bereits am ersten Tag der Nürnberger Messe ConSozial für die Sozialwirtschaft ausgiebig beleuchtet worden. "Die Verbindung von Ökologie und Sozialem ist die Fortschrittsagenda des 21. Jahrhunderts", sagte zum Auftakt die Berliner Gesellschaftswissenschaftlerin Maja Göpel. Angesichts der vielfältigen Probleme bei Fachkräften, Energiekosten und Inflation dürfe man nicht nur für einzelne Details nach Lösungen suchen. "Wir müssen mehr auf die Netzwerke blicken."

Aus Sicht der Professorin ist der anhaltende Pflegenotstand ein "Ausdruck des Nicht-Sehen-Wollens". Die Gesellschaft habe zwar der Sozialbranche mit ihren systemrelevanten Jobs applaudiert. Unterm Strich erlebten die Beschäftigten in den Sozialberufen aber "zu wenig Wertschätzung". Motivation und Berufung für aufreibende Aufgaben hielten nur begrenzt an. Hier zog die Bestsellerautorin eine Parallele zur Natur. Das ökologische System gerate ebenfalls aus dem Gleichgewicht, "wenn es überhitzt wird". Die Lehre: "Wir brauchen ein Netzwerk des Miteinanderlebens und müssen uns als Teil des Systems begreifen."

Die Wohlfahrtspflege in Deutschland wolle ein Hebel für mehr Nachhaltigkeit sein, betonte der Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, Ulrich Lilie. "Wir haben zwei Millionen hoch motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die diese wichtigen Schritte gehen wollen", so Lilie, der auch Präsident der Diakonie Deutschland ist, bei einer Pressekonferenz. Alle Krankenhäuser in Deutschland zusammen hätten den gleichen ökologischen Fußabdruck wie Flugverkehr und Bahnverkehr in Deutschland zusammen, erläuterte er. Viele der Kliniken könnten einen Großteil ihrer Energie selbst erzeugen, aber "wir müssen endlich ins Tun kommen".

Ein Sozialunternehmen, das nachts die nicht genutzte Energie aus dem eigenen Blockheizkraftwerk ins öffentliche Netz einspeiste, sollte vom Finanzamt die Gemeinnützigkeit aberkannt werden, weil es auf Gewinn ausgerichtet sei, berichtet Lilie von einem Fall. An dem Beispiel werde deutlich, dass es für nachhaltiges Denken noch keine "gemeinsame Logik gebe". Er kritisierte eine "Projekteritis" statt einer zusammenhängenden langfristigen Förderung für klimaneutrale Sozialunternehmen. Das Thema Nachhaltigkeit müsse auch in den Sozialgesetzbüchern verankert werden.

Lilie forderte auch, dass Klimaschutz sozial gerecht umgesetzt wird. Menschen mit geringen Einkommen dürften sich nicht zusätzlich Sorgen machen müssen, weil Produkte teurer würden. Wenn hierauf Rücksicht genommen werde, "müssen wir uns auch weniger Sorgen um den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft machen", sagte Lilie.

Sie erlebe bei den Beschäftigten in der Sozialwirtschaft auch ein "hohes Interesse", Nachhaltigkeit zu fördern, sagte die bayerische Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) und stimmte zu, dass die Rahmenbedingungen das manchmal schwer machten. In dem Motto der diesjährigen ConSozial "Ökologisch denken, sozial handeln, Zusammenhalt nachhaltig stärken" verdichteten sich die Herausforderungen, vor denen die Branche stehe, so Scharf. Die Mitveranstalterin der ConSozial berichtete, dass mit einem ersten Förderprogramm die Evangelische Hochschule Nürnberg zum klimaneutralen Sozialunternehmen werden soll. Einen wichtigen Beitrag könnten auch die über 110.000 Beschäftigten in bayerischen Kitas leisten. "Umweltbildung von Kindern ist wichtig." Insgesamt hat die Sozialwirtschaft in Bayern rund 450.000 Mitarbeiter.

Die Ministerin wiederholte ihre Forderung nach flexibleren Arbeitszeiten in den Pflegeberufen. Der Gesundheitsschutz müsse im Zentrum stehen, sagte sie. "Wir müssen offen über eine längere Arbeitszeit an einzelnen Tagen von bis zu zwölf Stunden und eine Wochenarbeitszeit von 48 Stunden diskutieren - flexibel und auf freiwilliger Basis der Beschäftigten." Ein Schwerpunkt im Sozialbereich müsse in Zukunft auch auf die Kita-Versorgung gelegt werden, so Scharf, denn es sei "volkswirtschaftlich bedeutsam", dass sich Eltern auf die Betreuung ihrer Kinder und deren Qualität verlassen könnten.

Die ConSozial ist die wichtigste Messe für Fach- und Führungskräfte der Sozialpolitik, der Sozialwirtschaft und des Sozialwesens im deutschsprachigen Raum. An zwei Tagen informieren sich rund 5.000 Besucherinnen und Besucher über neue Entwicklungen. Parallel findet der KITA-Kongress für Fach- und Führungskräfte von Kitas statt.