München (epd). In dieser Woche hat die bayerische Staatsregierung ihren Härtefallfonds für die bayerische Wirtschaft vorgestellt. Ernüchternd findet es die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, dass die Regierung über die bayerischen Hilfen für private Haushalte, soziale Einrichtungen oder Vereine erst in der kommenden Woche sprechen will. Bei der Jahrespressekonferenz des VdK Bayern warnte Bentele am Donnerstag, Ministerpräsident Markus Söder (CSU) dürfe die Menschen jetzt nicht enttäuschen, die akut verzweifeln, weil sie ihre Rechnungen nicht zahlen könnten. "Die frohe Botschaft sollte sein: Niemand muss in diesem Winter frieren." Es müsse garantiert werden, dass niemandem Strom oder Heizung abgedreht werde, weil er die Rechnung nicht bezahlen könne.
Bentele stellt aber auch fest, dass viele in der Bevölkerung, die bisher ihr Auskommen hätten, in der aktuellen Krisensituation stark verunsichert seien "und bisweilen an der Demokratie zweifeln". Diese Menschen wollten von ihrem Geld leben können und brauchten Halt und Vertrauen, "da steht für unsere Gesellschaft sehr viel auf dem Spiel", sagte die VdK-Präsidentin.
Die größten Leidtragenden der Energiekrise seien, so Bentele, wie schon in der Pandemie chronisch Kranke, Pflegebedürftige und Kinder. Gerade Pflegebedürftige und kranke Menschen, die ihre Wohnung kaum verlassen könnten, brauchten es zu Hause warm. "Ich finde die Vorstellung schlimm, dass diese Menschen im Kalten und Dunklen sitzen müssen." Es müsse nicht nur für Heime einen Rettungsschrim geben, sondern auch "für das Daheim dieser Menschen".
Sie kritisierte, dass den Entlastungsmaßnahmen des Bundes der "soziale Faktor" fehle. "Entlastungen dürfen nicht generell jeden hohen Energieverbrauch subventionieren, egal ob es ein wohlhabender oder ein armer Haushalt ist." Bentele schlug zur Gegenfinanzierung der Entlastungen eine Übergewinnsteuer, die Anhebung des Spitzensteuersatzes, Wiedereinführung der Vermögenssteuer und eine einmalige Vermögensabgabe für sehr Reiche vor.
Ein wichtiges Signal in die Gesellschaft könnte laut Bentele auch die Einführung einer Kindergrundsicherung sein. Alle Kinder sollten dieselben Chancen im Leben bekommen. Es müsse egal sein, ob ein Kind aus einem armen Haushalt oder aus einem reichen Haushalt in Grünwald kommt, sagte die VdK-Präsidentin. Eine Kindergrundsicherung würde alle bisherigen, oft weit verstreuten Leistungen für Kinder zusammenfassen: Kindergeld, Kinderfreibetrag oder den Regelsatz für Kinder
Die bayerische VdK-Vorsitzende Ulrike Mascher kritisierte neue Forderungen unter anderem aus der FDP nach einer Anhebung des Renteneintrittsalters. "Das vergrößert die Rentenabschläge und wird die Altersarmut in Bayern weiter ansteigen lassen", sagte sie. Arbeitgeber und Unternehmen würden den Fachkräftemangel beklagen, aber sich wenig anstrengen, älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine gesunde Perspektive bis zur Regelaltersgrenze zu bieten, kritisierte Mascher.
Die Sozialexpertin sieht zudem den Freistaat im Hinblick auf eine älter werdende Bevölkerung nicht gut gerüstet. Sie forderte einen verbesserten ÖPNV, eine Gesundheitsversorgung, die auch die Geriatrie im Blick hat, mehr Barrierefreiheit und mehr verpflichtende Seniorenmitbestimmung. Investitionen in eine Infrastruktur, die Älteren zugutekomme, könnten auch für einen Modernisierungsschub in Bayern sorgen.
VdK-Geschäftsführer Michael Pausder stellte die Jahresbilanz des VdK Bayern vor. Der habe Ende 2022 rund 781.300 Mitglieder. Damit gehörten dem Verband erstmals in seiner 75-jährigen Geschichte in Bayern mehr Mitglieder an als dem DGB mit den Einzelgewerkschaften zusammen. Immer mehr würde die sozialrechtliche Beratung des VdK in Anspruch genommen, so Pausder. Ein besonderes Problem sei es, dass Krankenkassen immer häufiger versuchten, Langzeitkranken ihren Anspruch auf Krankengeld zu nehmen.