München, Frankfurt a.M. (epd). Der Präsident des thüringischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Stephan Kramer, hält eine Radikalisierung von Teilen der Klimaschutzbewegung für denkbar. "Die 'Letzte Generation' ist für sich genommen noch keine extremistische Organisation", sagte er: "Aber seit vielen Monaten versuchen Linksextremisten, 'Fridays For Future' und die 'Letzte Generation' zu unterwandern und aus der Klimakrise eine Systemkrise zu machen."

Außerdem mache sich bei vielen jungen Leuten eine Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit breit, "die schon fast pathologische Züge annimmt", sagte Kramer dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Samstag). Das könnte aus seiner Sicht zu einer Eskalation der Proteste führen.

Der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, bekräftigte am Wochenende seine Warnung vor dem Entstehen einer "Klima-RAF". "Ich habe null Verständnis für die Behinderung von Rettungswagen, die Gefährdung des Luftverkehrs oder die Beschädigung von Kulturschätzen", sagte er der "Bild am Sonntag". Es sei die Aufgabe der Politik, darauf zu reagieren. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) müsse das Strafrecht anpassen, "damit härtere Strafen und vorbeugender Gewahrsam für Wiederholungsstraftäter unter den Klima-Chaoten bundesweit möglich sind".

Der Thüringer Verfassungsschutz-Chef Kramer indes forderte die Politik auf, das Notwendige zu tun, um die Klimakrise zu bekämpfen und so Zuversicht zu verbreiten. "Wir dürfen uns als Verfassungsschützer nicht daran beteiligen, die Bewegung politisch zu diskreditieren", sagte er. Allerdings dürfe man für Klebeaktionen oder ähnliche Protestformen auch kein Verständnis zeigen. "Sonst kriegen wir Selbstjustiz, und das Vertrauen in den Rechtsstaat erodiert noch mehr", warnte Kramer.

Die Grazer Sozialwissenschaftlerin Ilona Otto hält Vergleiche der Klima-Aktivisten mit der RAF für unangemessen. "Man muss aber sagen: Viele Proteste und soziale Bewegungen in der Geschichte wurden zunächst scharf kritisiert. Ich denke zum Beispiel an die Frauenbewegungen, die Proteste gegen Rassismus in den USA oder die Lesben- und Schwulenbewegungen", gab die Professorin für Gesellschaftliche Auswirkungen des Klimawandels zu bedenken. Vielleicht brauche es Zeit, bis die Menschen die Beweggründe der Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten verstehen.