Hoffentlich brennt’s nicht. Wir zünden das letzte Mal die Kerzen am Weihnachtsbaum an. Ganz vorsichtig, weil der Baum inzwischen so trocken ist. Morgen dann kommt alle Weihnachtsdeko raus. 40 Tage nach Weihnachten. Mariä Lichtmess eben.
40 Tage lang habe ich versucht, ein bisschen Weihnachtsstimmung zu bewahren und in den Alltag zu bringen. Habe Lebkuchen und Stolle gefuttert und beschlossen, mich nicht von den Dunkelheiten der Welt runterziehen zu lassen. Im echten Leben hätte ich es gern friedlich. Leider hält sich das Leben nicht daran.
Die heutige Morgenfeier wird Ihnen ganz schön was zumuten, liebe Leserinnen und Leser. Und das hat mit unserer Welt zu tun und mit Maria, der Mutter von Jesus.
Maria, die Mutter Gottes, galt für 40 Tage nach der Geburt ihres Sohnes als unrein. Sprich, sie durfte keinen Tempel betreten. Wäre Jesus ein Mädchen geworden, wären es sogar 80 Tage gewesen.
Das Lukasevangelium erzählt davon in einem Nebensatz: Als die Tage ihrer Reinigung nach dem Gesetz des Moses um waren (Lukas 2,22). Es braucht anscheinend keine weitere Erklärung. Weil es ja alle jüdischen Frauen damals betraf. Das war normal.
Im Gesetz des Mose steht dazu ausführlicher:
2Wenn eine Frau empfängt und einen Knaben gebiert, so soll sie sieben Tage unrein sein, wie wenn sie ihre Tage hat. 3Und am achten Tage soll man seine Vorhaut beschneiden. 4Und sie soll daheimbleiben dreiunddreißig Tage wegen des Blutes ihrer Reinigung. Kein Heiliges soll sie anrühren und zum Heiligtum soll sie nicht kommen, bis die Tage ihrer Reinigung um sind. 5Gebiert sie aber ein Mädchen, so soll sie zwei Wochen unrein sein, wie wenn sie ihre Tage hat, und soll sechsundsechzig Tage daheimbleiben wegen des Blutes ihrer Reinigung. (Lev 12,2-5)
Eine Frau ist unrein, weil sie ein Kind geboren hat. Weil dabei Blut und Körperflüssigkeiten im Spiel sind. Und das wird als eklig empfunden. Ist heute nicht groß anders. Männer dürfen darum erst seit wenigen Jahrzehnten mit in den Kreißsaal.
Kreative Unterwanderungen
Frauen haben solche Gesetze immer schon kreativ unterwandert und für sich zu nutzen gewusst, keine Frage. Unterdrückung schreit danach, subversiv umgedeutet zu werden. Du verbietest mir, rauszugehen? Dann mach ich es mir eben drinnen gemütlich. Ich lade meine Freundinnen ein und häng ein Schild an die Tür: Männerfreie Zone. Du sagst, dass Frauen die besseren Eltern für Kleinkinder sind und du als Vater deshalb keine Elternzeit nehmen kannst im ersten Jahr? Dann treffe ich mich mit Freundinnen und mach lange Spaziergänge. Wenn du das auch gern hättest, nimmt doch Elternzeit! Frauen nutzen Freiräume. Diese Umdeutung darf dann nur nicht mit Freiheit verwechselt werden. Es ist selten eine freie Entscheidung.
Und so haben Frauen die Zeit nach der Geburt für sich genutzt. Haben versucht, sich Schutzräume zu schaffen. Wo Frauen Frauen unterstützen, füreinander kochen und das Baby durch den Park tragen, damit Mama schlafen kann. Wo Frauen einander zuhören und einfach nur sagen: Es ist schwer. Es wird alles gut. Du bist eine super Mama. Du schaffst das und ich helfe dir dabei.
Schutzräume
Mit Schutzräumen kennen sich Mütter gut aus. Sie waren ja selbst 40 Wochen lang Schutzraum für ihr Baby. Haben es versorgt und bewahrt und getragen. Haben es gestreichelt und mit dem Kind gesprochen. Manchmal gemeinsam mit Vater, Mutter oder Kindern. Wer eben so da ist, um das Kind in der Welt zu empfangen.
Schutzräume nach der Geburt. Schutz vor schwerer Arbeit und auch vor Sex. Klingt in modernen Ohren nach Wochenbett. Nach Nachsorge und vorgekochtem Essen. Klingt aber auch nach Isolation, wenn keiner kommt und mal das Kind wiegt und hält, während ich einfach nur duschen will.
Ob es diesen Schutzraum gibt, bleibt ein Privileg der Wohlhabenden. Die meisten Frauen dieser Welt haben ihn nicht. Sie stehen wenige Stunden oder Tage nach der Geburt wieder auf Feldern, in Küchen und Fabriken und sorgen für den Lebensunterhalt ihrer Kinder. Auf Kosten der eigenen Gesundheit.
Für Maria war er sicher auch unmöglich, 40 Tage Ruhe zu halten. Sie war ja zur Geburt Jesu nicht mal zuhause. Und bestimmt keine 40 Tage in der notdürftigen Unterkunft in Bethlehem. Das wird aber nirgends problematisiert. Sie hat sich ja an alles gehalten und den Tempel nicht früher betreten.
Der männliche Blick
Es geht nicht in erster Linie um den Schutz der Frau bei diesem Gesetz. Bei dem Männer sagen, wann sie den Körper einer Frau für rein halten. Bei dem also Menschen mit Macht über Menschen mit weniger Macht entscheiden. Und ihnen damit auf den Leib rücken. Gern mit Vorstellungen von Reinheit und Schmutz und Schuld.
Als ich sieben war, hörte ich, wie eine Bekannte zu meinen Eltern sagte: "Mit solchen Leggings würde ich meine Tochter nicht rumlaufen lassen. Da kommen Männer vielleicht auf komische Gedanken." Danach trug ich Hosen. Weil ich ja weiter frei rumlaufen wollte.
Ich verstand: Freiheit erkaufe ich mir damit, Männern nicht zu sehr aufzufallen. Weder positiv aufreizend. Noch negativ. Denn der männliche Blick ist der wichtige Blick. Der darüber entscheidet, ob ich belästigt werden darf oder nicht. Mit sieben!
Als ich 15 war, brüllte ein besoffener Klassenkamerad neben mir im Schulkino laut, er würde lieber eine Flasche ins Bett kriegen als mich. Niemand sagte etwas. Alle hörten hin und weg. Und ich fragte mich, was mit mir falsch sei. Weil es doch das Ziel war, von Männern begehrt zu werden. Oder von Jungs, die kaum wissen, wer sie selbst sind mit 15. Egal. Sie hatten die Macht über mich. Dachte ich.
Glaubten die Jungs. Denn sie hatten ja dieselben Sätze gehört wie ich. Mit derselben Selbstverständlichkeit gelernt, dass sie ein Recht auf weibliche Körper haben.
Regeln gelten für alle
Maria, die Mutter Jesu, die Gebenedeite unter den Frauen, fiel wie alle anderen Jüdinnen unter die Reinheitsgesetze. Wenn Körper reguliert werden, dann gilt das für alle. Egal, wie heilig, rein, auserwählt du sein magst. Egal, wie sehr ich mich anstrenge, anders zu sein, es mir nicht zu Herzen zu nehmen, sarkastisch drüber hinwegzulächeln.
Wenn es Regeln gibt, dann gelten sie für alle. Für Maria, für dich, für mich, für alle, die gebären.
Und auch, egal, was Gott dazu sagt.
Marias Schwangerschaft – was wir wissen
Im Falle von Marias Schwangerschaft ist ja vieles mysteriös. Wir wissen eigentlich nur drei Dinge verhältnismäßig sicher:
Erstens: Maria war unverheiratet schwanger. Und damit wusste die Gesellschaft nicht offiziell, wer der Vater ist. Das wird ja gern Frauen unterstellt. Dass sie, wenn sie unverheiratet sind, keine Ahnung haben, mit wem sie geschlafen haben. In unserer Tradition sprechen wir bei Maria von der Zeugung durch die Heilige Geistkraft. Dabei war Maria vielleicht in einer glücklichen Liebe, und die beiden durften aus gesellschaftlichen Gründen nicht heiraten. Nichts Genaues weiß man nicht. Ist ok. Geht uns nichts an.
Jedenfalls: Dieses uneheliche Kind ist ein Skandal gewesen. Eigentlich hätte Maria nur zwei Auswege gehabt. Schnell heiraten oder das Kind geheim gebären und aussetzen oder töten. Und eh wir den Kopf schütteln über dieses archaische Denken. Das war ja bis vor wenigen Jahrzehnten nicht anders in Deutschland.
Wir wissen zweitens: Maria hat sich für ihr Kind entschieden. Und aus irgendeinem Grunde haben dann Maria und Josef nicht schnell geheiratet, um den Anschein zu wahren.
Und drittens: Gott hat Marias Schwangerschaft mit diesem skandalösen Kind gesegnet. Von der Gesellschaft musste Maria befürchten, bestraft und verachtet zu werden. Von Gott bekam sie nur Zuspruch und Kraft. Gott verwandelt das Kind, das für Maria zur lebensbedrohlichen Gefahr hätte werden können, in eine weltverändernde Stärke. Gott verwandelt die unverheiratete, als unrein geltende Schwangere in eine reine Magd. Für alle Ewigkeit.
Als Mann wäre das normal gewesen. Sex vor der Ehe wird bis heute vor allem bei Frauen thematisiert. Männer sollen ja Erfahrungen sammeln.
Die Liedermacherin Bettina Wegner singt 1976 darüber: Ach, wenn ich doch als Mann auf diese Welt gekommen wär‘…
Was mir peinlich ist
Als ich 25 war, heiratet eine meiner besten Freundinnen. Natürlich inklusive Junggesellinnenabschied. 10 Mädels mit pinken Perücken und Schnäpsen im Bauchladen und bester Laune. Vor einer Kneipe sitzen ältere Männer und trinken Bier und Schnaps. Wir bieten ihnen unsere Schnäpse an. "Klar, kauf ich euch was ab", sagt einer "aber nur, wenn sich die Braut auf meinen Schoß setzt". Meine Freundin weigert sich. "Jetzt hab dich doch nicht so", sag ich zu ihr. Und drehe mich zu dem Mann entschuldigend um. Ich wisse auch nicht, wieso sie so prüde sei… Es war mir furchtbar unangenehm. Dem Mann gegenüber.
Unsere Kultur ist so sehr durch männliche Blicke geprägt, dass keine von uns davor gefeit ist. Im ganz Kleinen schon. Da lege ich Periodenartikel möglichst unauffällig zwischen dem Einkauf aufs Band. Oder kaufe die nicht im Laden in der Nachbarschaft. Damit mich keiner beim Binden kaufen sieht, der mich kennt. Weil, ist ja peinlich. Stell dir vor, jemand aus meiner Gemeinde sieht, dass ich ne ganz normale Frau bin.
Ich habe gelernt, dass ich mich tief drinnen fürs Frausein schämen soll. Vor allem für Blut und Schmerzen. Für das, was mich vermeintlich unrein macht.
Wie Maria, als sie tut, was ihr das Gesetz vorschreibt.
22Und als die Tage ihrer Reinigung nach dem Gesetz des Moses um waren, brachten Maria und Josef Jesus hinauf nach Jerusalem, um ihn dem Herrn darzustellen, 23wie geschrieben steht im Gesetz des Herrn: "Alles Männliche, das zuerst den Mutterschoß durchbricht, soll dem Herrn geheiligt heißen", 24und um das Opfer darzubringen, wie es gesagt ist im Gesetz des Herrn: "ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben". (Lukas 2,22-24)
"Darstellung des Herrn" wird dieser Text in der Bibel meist überschrieben. Manchmal auch "Mariä Reinigung". In der katholischen Kirche basiert darauf das Fest "Mariä Lichtmess". Erst werden Körper reglementiert und als unrein deklariert. Und dann wird ein Fest veranstaltet, zur Feier vom Ende ebendieser Unreinheit. Maria, die reine Magd. Eine Frau, die Millionen Menschen als Heilige verehren. Frau bleibt sie trotzdem. Und damit Mächten unterworfen, die Deutungshoheit über sie beanspruchen. Obgleich sie den Heiland der Welt geboren hat. Diese mutige, junge Frau. Ganz ohne männliches Zutun, so postulieren es unsere Dogmen. Daraus hätte sich ein Matriarchat entwickeln können im Christentum. Ganz theoretisch.
Die Reinigung Marias ist nur ein kleiner Aspekt des Festes. Alle erstgeborenen Jungs sollen Gott geheiligt werden. Dahinter steckt die wichtige Erkenntnis für Eltern: Unsere Kinder gehören uns nicht. Wir dürfen nur für sie sorgen. Aber sie sind nicht unser Eigentum, mit dem wir tun und lassen können, was wir wollen. Sie sind auch nicht der Besitz, für den ich ein Leben lang Verantwortung übernehme. Find ich als Mutter beruhigend. Ich will aber auch, dass dies für Töchter gilt.
Ein neugeborener Junge wird geheiligt. Eine Tochter nicht. Eine frischgebackene Mutter ist erstmal unrein. Ein Vater nicht. Regeln des Patriarchats.
Regeln des Patriarchats
Diese Regeln und die vielen, akzeptierten Grenzverletzungen führen irgendwann dazu, dass ich meine Grenzen wirklich verliere. Und mit mir Dinge machen lasse, die ich verabscheue. Und mich nicht wehre, weil ich keine Hilfe erwarte. Das Problem sind nicht Männer. Das Problem sind nicht Frauen. Das Problem ist ein patriarchales Unterdrückungssystem. Die echten Grenzen verwischen dadurch. Die Grenzen, die gezogen werden, sind fake.
Wenn ich dann doch im Nachhinein mal etwas erzähle, dann nicken andere Frauen wissend. Ja, furchtbar, hab ich auch schon erlebt. Gut, dass nicht mehr passiert ist. Nochmal Glück gehabt. Und manche Männer wollen zu Beschützern werden: "Wenn das wieder vorkommt, sag Bescheid. Ich helfe dir!" Und ich denke mir: Erstens sind nie befreundete Männer in so einer Situation dabei, weil es dann eben kaum passiert. Zweitens möchte ich eigentlich in einer Welt leben, in der ich nicht von Männern vor Männern geschützt werden muss. Und drittens passiert das auch anderen Frauen. Deshalb haltet eure Augen auf und schreitet ein, wenn ihr Belästigungen beobachtet. Sofort. Wartet nicht. Betroffene können sich in dem Moment oft nicht wehren. So ein Einsatz kann einen Mann auch das Leben kosten. Wie leider in Aschaffenburg.
Frauen, Männer und Kinder leiden alle unter dem patriarchalen System. Zu viele sterben daran. Männer töten vor allem Männer. Nur im häuslichen Bereich, da, wo uns Frauen ein Schutzraum suggeriert wird, sind 70% der Opfer weiblich.
Kirche – Spiegel der Gesellschaft
All das geschieht auch im Raum der Kirche: Alltagssexismus, Belästigungen von Schutzbefohlenen bis hin zu schweren Übergriffen. Auch die Kirche ist eine zutiefst patriarchal geprägte Institution. Vor einem Jahr hat die Evangelische Kirche in Deutschland die ForuM-Studie veröffentlicht. Ein umfangreicher Versuch, sexualisierte Gewalterfahrungen in den evangelischen Landeskirchen zu dokumentieren und die spezifisch evangelischen Faktoren zu untersuchen. Mit dem Ziel, Verantwortung zu übernehmen und für zukünftige Schutzkonzepte zu lernen. Damit sexualisierte Gewalt in unseren Kirchen keinen Platz mehr hat. Ist mir als Pfarrerin total wichtig. Und ein langer Weg. Ein endlos langer Weg.
Denn es reicht natürlich nicht, wenn ich definiere, was sexualisierte Gewalt ist und sie dann verbiete. Das wäre schön. Stattdessen schreiben wir in unseren Gemeinden jetzt an Schutzkonzepten. Wir analysieren unsere Räume und potentielle Gefahren und schulen unsere Mitarbeitenden. Die hauptamtlichen und die ehrenamtlichen. Das ist überfällig und wichtig!
Die meiste Arbeit leisten da gerade Frauen. Also die, die so gut wie nie zu Täterinnen geworden sind in den letzten Jahrzehnten. Sie sind jetzt Ansprechpersonen und leiten Fachstellen. Sie beantworten Pressefragen und stehen als EKD-Ratsvorsitzende gerade für eine Institution, die auch sie nicht gut geschützt hat. Frauen arbeiten daran, die Kirche für sich und für andere zum Safe Space zu machen. Also zu einem Ort, an dem ich mich zeigen kann als die, die ich bin. An dem ich benennen kann, wenn ich mich unwohl fühle und dann nicht selbst als Problem gelte. Ein Ort, an dem fehlende Zustimmung ein Nein ist. Und Nein als Nein gilt. Ein sicherer Ort für alle, Männer, Frauen, Kinder.
Und wir stellen fest: Wir Christ*innen sind statistisch keine besseren Menschen als andere. Auf dem Papier sieht vieles klar und einfach zu regeln aus. In echt ist es immer kompliziert. Als Gemeindepfarrerin habe ich das erlebt. Weil das, worum es geht, meist zwischen zwei Personen geschieht, ohne Zeug*innen. Es ist leicht, zu behaupten: Ich glaube den Opfern. Und schwer, mit dem Chaos der Tat umzugehen. Es gibt keinen guten Umgang mit sexualisierter Gewalt. Da ist nichts gut und es wird auch nicht wieder gut.
Schutzräume schaffen
Wir können nicht verhindern, dass Menschen Böses tun. Wir können es ihnen nur erschweren. Es muss normal werden, Sachen zu sagen wie: "Kannst du einen Schritt zurücktreten? Das ist zu nah. Das möchte ich nicht." Einschreiten und nachfragen, muss selbstverständlich werden. Die Bibel aus Frauensicht lesen. Über Macht und Abhängigkeiten sprechen.
Und da wird’s spannend. Denn, wie rede ich über Übergriffe in einer Gemeinde, die genauso patriarchal geprägt ist wie der Rest unserer Gesellschaft? Wie erkläre ich, dass ein Flirt im Arbeitskontext mit Hand am Rücken und tiefem Blick in die Augen nicht okay ist, sobald ein Machtgefälle herrscht. Wenn die ältere Dame gegenüber sagt: "Ach, ich fand das immer schön. Ist doch auch ne Bestätigung." Und die Männer mit diesem Ausdruck dasitzen: "Ja, darf man heute gar nichts mehr?" Dann herrscht ratloses Schweigen.
In der Bibel gehören die sogenannte Darstellung des Herrn und Mariä Reinigung zusammen. Auch ganz praktisch. Als Mann ist es leicht, sich darzustellen als Retter. Frauen müssen nach Geburten und einmal im Monat verschwinden, werden unsichtbar und müssen sich reinigen, um Gott wieder unter die Augen treten zu dürfen. Dafür steht ja der Tempel. Für öffentliche Ausübung von Religion. Ein Schutzraum. Ein Gotteshaus, Schutzraum für alle, die sich an Gott wenden. Um Gottes Nähe zu erleben. Dieser Schutzraum war Maria nach der Geburt verschlossen. In einer so verletzlichen Zeit als blutjunge Mutter.
Ich glaube: Gott ist bei jeder Geburt dabei und in all den Stunden danach zwischen Glück und Verzweiflung und schmerzenden Brustwarzen und Nachwehen. Gott ist Mensch geworden und hat genau das erlebt. Gott heiligt die, die verstoßen und abgewertet werden. Uneheliche Kinder, junge Mütter, Patchworkfamilien, Familien, die nicht ins traditionelle Bild passen.
Zu Lichtmess wird sichtbar, was immer wahr ist: Gott ist mit Maria. Gott ist mit dir. Wenn du gerade als unrein und störend empfunden wirst. Wenn deine Grenzen nicht geachtet werden. Wenn du deine eigenen Grenzen nicht mehr spüren kannst. Gott ist mit dir. Gott bietet dir Schutz. Und, wenn dir der Tempel verwehrt ist, oder du es in deiner Kirche nicht mehr aushältst, dann geht Gott eben dahin, wo du bist. In deinen Schutzraum. Gott, unser Schutzraum, verwandle unsere Kirche!
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