Die rechtsextreme NPD demonstriert für ihren Erhalt. Der Zentralrat der Juden in Deutschland fordert: abhängen und ins Museum. Ein Gemeindemitglied glaubt jedes Mal, wenn sie läutet, Adolf Hitler zu hören, und ein Bürgermeister erklärt an ihrem Beispiel, dass nicht alles schlecht gewesen sei in der Zeit des Nationalsozialismus.

Viel bessere Gründe kann es eigentlich nicht geben, die sogenannte Hitler-Glocke aus dem Turm der Jakobskirche in Herxheim am Berg zu entfernen. Zwar ist nicht anzunehmen, dass tatsächlich der Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt ist, wenn die Glocke mit der Inschrift »Alles fuer’s Vaterland – Adolf Hitler« schlägt, wie eine Strafanzeige behauptet; aber das Hakenkreuz auf der Glocke ist zweifelsfrei das Symbol einer verfassungswidrigen Organisation.

Die Kosten fürs Abhängen und die Neubeschaffung einer Glocke sowie der Denkmalschutz sind eher schwache Gründe für den Verbleib der Glocke im Turm. Dafür würden sich gewiss Lösungen finden. Doch das Abhängen der Glocke und die Unterbringung in einem Museum (wenn sich denn eines fände, das sie nimmt) würde sich einreihen in den zunehmenden Verfall der Erinnerungskultur an die Barbarei der NS-Zeit.

Schlussstrich beim Gedenken?

Inzwischen ist das Gedenken an die Zeit des Nationalsozialismus ziemlich eingehegt, es wird nach immer gleichen zeremoniellen Regeln an Gedenktagen rhetorisch verrichtet oder an festgelegten Orten mit Skulpturen und Tafeln begangen. Doch damit verschwindet es auch aus dem alltäglichen Leben der Gesellschaft und somit aus dem kollektiven Gedächtnis. Käme die Herxheimer »Hitler-Glocke« zusammen mit ein paar klugen Worten auf einer Gedenktafel in ein Museum, wäre das auch Ausdruck einer Schlussstrich-Mentalität: Es wird pflichtschuldigst zu bestimmten Anlässen und an bestimmten Orten gedacht, aber damit ist es auch genug.

Ist es aber nicht. Die unvergleichlichen Verbrechen der Nationalsozialisten ragen aus der deutschen Geschichte heraus. Sie sind eine deutliche und ewige Mahnung, sich für Menschlichkeit und Frieden einzusetzen. Die Glocke in Herxheim ist zweifellos ein Ärgernis – anstößig. Sie erinnert durch ihr tägliches Schlagen daran, dass auch die Christen dem braunen Terror nicht widerstanden, dass Glaube allein nicht immun macht gegen Unmenschlichkeit und Intoleranz.Es ist wichtig, auch im Kleinen ­immer wieder darauf aufmerksam zu machen, dass es nicht selbstverständlich ist, in einer humanen Gesellschaft zu leben. Dafür muss immer wieder neu gestritten werden. Eine Gedenktafel zur Glocke in der Herxheimer Kirche wäre eine solche ­ständige Mahnung in die Zukunft ­hinein. Denn wenn Deutschland seine aus der Vergangenheit erwachsende Verantwortung ernst nimmt, reicht es nicht, nachfolgende Generationen ins Museum zu schicken, um sich dort eine Glocke anzuschauen.

Was denken Sie? Schreiben Sie an Klaus Koch: sonntagsblatt@epv.de