Die baden-württembergischen Comicfiguren »Äffle und Pferdle« haben seinen Wert schon früh erkannt und ihm einen Song gewidmet: den legendären »Hafer- und Bananen-Blues«. Nun wird er auch von der Forschung gewürdigt. Der Hafer (Avena sativa) ist Arzneipflanze des Jahres 2017. Von August bis Oktober kann die Ernte anstehen. Da Hafer ungemein genügsam ist, was Boden und Witterung angeht, wird er gerne in kargen, kühlen Regionen angebaut.
Hafer wird wieder entdeckt: Arzneipflanze des Jahres 2017
Beim Nährwert und nicht zuletzt beim Geschmack sei er den übrigen Getreidearten überlegen, betonen die Würzburger Forscher. Dennoch hatte Hafer in den vergangenen Jahrzehnten keinen guten Ruf, vielleicht auch wegen des faden Haferschleims, der lange Zeit fester Bestandteil von Krankenkost war. Jetzt wird das Getreide wiederentdeckt, dem die Forschung außergewöhnliche gesundheitsfördernde Wirkungen nachweist. Selbst auf dem Acker wird Hafer in Fruchtfolgen als »Gesundungsfrucht« eingesetzt, wenn sich Schädlinge breit gemacht haben.
Medizinisch genutzt wird Hafer zur Behandlung der Haut über Magen-Darm-Erkrankungen bis hin zur Vorbeugung von Arteriosklerose und Diabetes mellitus Typ 2. Im Detail ist aber noch viel zu forschen, erklärt der Interdisziplinäre Studienkreis 'Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde' an der Universität Würzburg.
Hafer gegen Juckreiz und Hautverletzungen
Das Haferstroh wird seit altersher für Bäder bei Juckreiz und Hautverletzungen verwendet. Zunehmend beachten Mediziner auch das grüne Haferkraut sowie das Korn. Das Haferkraut, vor der Kornreife geerntet, ist reich an Flavonoiden, Saponinen und Mineralien. Dadurch wirkt es entzündungshemmend und soll das Immunsystem stabilisieren. Es könnte auch bei Stress helfen und zur Verbesserung der Konzentration und Lernfähigkeit. »Das muss jedoch noch durch weitere Studien untermauert werden«, schreiben die Forscher.
Beim Haferkorn stehen die positiven Effekte für den Cholesterin- und den Blutzuckerspiegel beim Menschen im Vordergrund. Wissenschaftler aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen haben zudem herausgefunden, dass ein Haferanteil im Hühnerfutter das gefürchtete Federpicken verhindert. Mit Hafer haben die Hühner ein stabileres Immunsystem, werden nicht von Juckreiz am Federkiel geplagt und sind weniger aggressiv. Bis die Forscher die Ernährungsstörung als Ursache entdeckten, hatte man das Federpicken als Verhaltensstörung ausgelegt.
Hafer mit Vitamine B
Das Haferkorn bietet wertvolle Vitamine, besonders aus der B-Gruppe, wichtige essenzielle und semi-essenzielle Aminosäuren wie Arginin, Leucin und Tyrosin, und eine breite Palette an Mineralstoffen von Calcium über Selen bis Zink. Der Eisengehalt sei vergleichbar mit manchen Fleischarten, sagen Wissenschaftler. Das enthaltene Beta-Glucan ist Ursache für die cholesterinspiegelsenkende Wirkung des Hafers.
Haferkörner sind im Unterschied zu vielen anderen Getreidesorten fest von einer faserigen Haut, den sogenannten Spelzen, umschlossen. Damit werden sie für Menschen schwer verdaulich. Diese Haut muss in einer speziellen Schälmühle entfernt werden. Danach kann der Hafer als volles Korn, als im Ganzen gequetschte grobe Haferflocke, als zerstoßene Grütze oder als aus der Grütze gepresste feine Haferflocke weiterverarbeitet werden.
Haferkörner sind ziemlich robust
Durch die Spelzen sind die Haferkörner aber auch ziemlich robust, so dass sich die Pflanze leicht ausbreiten kann. Die seit der Zeit um 5.000 vor Christus im Schwarzmeergebiet und in Polen, später auch in Mitteleuropa nachgewiesene Feldfrucht kann sich als »Bodenroller« vom Wind verbreiten lassen, als »Regenschwemmling« und als »Wasserhafter«. Ganz kurze Grannen ermöglichen dem Haferkorn im Spelz sogar ein Hüpfen. Oft bleibt es auch im Fell von Tieren kleben.
Bis in die Nachkriegsjahre war Hafer in Deutschland das zweitwichtigste Getreide nach Roggen. Dann ging der Anbau stetig zurück. In Baden-Württemberg wurden dem Statistischen Landesamt zufolge 2016 noch auf gut 18.000 Hektar Hafer angebaut und eine Ernte von rund 83.300 Tonnen eingebracht. Im Vergleich dazu gab es im Südwesten 228.500 Hektar Weizen mit einer Erntemenge von 1,5 Millionen Tonnen.
Die Arzneipflanze des Jahres wird seit 1999 jährlich vom interdisziplinären Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde am Institut für Geschichte der Medizin der Julius-Maximilians-Universität Würzburg ausgerufen.