München (epd). Die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche ist laut dem bayerischen Landesbischof Christian Kopp ein Jahr nach der Veröffentlichung der deutschlandweiten ForuM-Studie von Fortschritten und Herausforderungen geprägt. Die ForuM-Studie sei ein entscheidender Schritt gewesen, "um betroffenen Personen immer besser gerecht zu werden", sagte Kopp am Dienstag laut einer Mitteilung. Der Betroffenen-Sprecher Detlev Zander attestierte der bayerischen Landeskirche großes Engagement. Allerdings verstecke sich die Landeskirche beim Thema Aufklärung "immer etwas hinter der Präventionsarbeit".

Kopp sagte laut der Mitteilung, die Bedeutung des Themas sei in der breiten Gesellschaft und in der Kirche leider nicht allgegenwärtig. Er nehme aber eine Sensibilisierung wahr: "Es gibt ein wachsendes Bewusstsein für die Notwendigkeit von wirksamen Maßnahmen, auch wenn das Thema für viele ein Tabuthema ist", sagte Kopp. Die Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und die Landesverbände der Diakonie wollten nun die Abläufe bei der Aufarbeitung vereinheitlichen, sagte Kopp weiter, etwa durch die Abschaffung des Spruchverfahrens und die Einführung eines einheitlichen Verfahrens für Anerkennungsleistungen.

In Bayern habe man außerdem eine Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommission (URAK) geschaffen und eine Betroffenenvertretung gebildet. Ehren- und Hauptamtliche würden zum Thema Prävention geschult, zudem würden Schutzkonzepte erstellt. Bis Ende 2025 sollen diese flächendeckend in den Kirchengemeinden erarbeitet sein. Entscheidend sei ein konsequentes und transparentes Vorgehen, erläuterte Kopp: "Gerade für betroffene Personen ist Verlässlichkeit und Offenheit essenziell." Für die Zukunft gehe es darum, als Kirche ein noch sichererer Ort zu werden, an dem Gewalt keinen Platz habe, betonte der bayerische Landesbischof.

Detlev Zander, einer der Sprecher der Gruppe der betroffenen Personen im Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt in der EKD, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), ihm seien die "wirklichen Maßnahmen der Landeskirche" beim Thema Missbrauch nach wie vor nicht klar. "Statt Aufarbeitung bräuchte es auch mal eine echte Aufklärung", sagte Zander und erläuterte den Unterschied: "Aufklärung heißt, Verantwortlichkeiten klar zu benennen: Wer hat bei früher bekannt gewordenen Missbrauchsfällen was genau entschieden und warum?" Solche Fragen stelle sich die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern bis heute "nicht wirklich", sagte er.

Auch an der Arbeit der URAK hegt Zander einige Zweifel. Die Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) der Bundesregierung hätten als Procedere festgelegt, dass für die regionalen Aufarbeitungskommissionen "zuerst Geschäftsführer eingestellt werden, die dann die Strukturen der Kommission erarbeiten", sagte Zander. So sei das beispielsweise in der Bremischen Evangelische Kirche geschehen. In der bayerischen Landeskirche habe jedoch die Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt die Struktur erarbeitet. "Wie unabhängig kann diese Kommission dann sein?", fragte Zander.

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