Nürnberg (epd). Vor der Nürnberger Bahnhofsmission gibt es seit kurzem zwölf Schließfächer. Menschen, die auf der Straße leben, können darin ihr Hab und Gut unterbringen. Spinde gibt es bereits in den Obdachlosenunterkünften für Männer und für Frauen. Für Thorsten Bach, zuständig für solche Hilfen für Obdachlose bei der Stadt Nürnberg, ist diese Entlastung nur eine Maßnahme für Wohnungslose in Nürnberg. Er fordert aber eine bundesweite Strategie.
epd: Mit den Schließfächern oder einem neuen trockenen Unterstand für Wohnungslose in Nürnberg in Bahnhofsnähe versuchen Sie die Situation für diese Menschen in der Stadt zu verbessern. Gelingt das?
Thorsten Bach: Das Problem ist, wir sind permanent bemüht, die Infrastruktur für diese Menschen zu verbessern, aber eine Wiedereingliederung gelingt wegen des Flaschenhalses Wohnungsmarkt nicht. Der Wohnungsmarkt ist so stark angespannt. Wenn sich da nicht grundsätzlich etwas ändert, leben Wohnungslose weiterhin viele Jahre in Notunterkünften. Auch das Konzept Housing First kann so nicht funktionieren, aber auch weil es dafür keine bundesweite Strategie und keine Förderung aus dem Bundeshaushalt gibt. Finnland hat das Konzept Housing First national umgesetzt und die Obdachlosigkeit massiv verringert. Allerdings gilt das Programm nur für finnische Staatsangehörige.
epd: Was fordern Sie konkret?
Bach: Die EU hat vereinbart, Obdachlosigkeit bis 2030 zu beseitigen. Aber an dieses Ziel werden wir in Deutschland nicht kommen, weil wir gerade auch beim sozialen Wohnungsbau die selbst gesteckten Ziele nicht erreichen. Es braucht eine nationale Strategie zur Beseitigung der Wohnungslosigkeit.
epd: Warum kann man die Wohnungslosigkeit Ihrer Meinung nach nur national bekämpfen?
Bach: Die Probleme Armut und Obdachlosigkeit lassen sich nicht in einem geschlossenen gesellschaftlichen System lösen. Eigentlich ist sogar ein nationaler Plan zu wenig. Die Probleme müssten europäisch angegangen werden. Unsere Maßnahmen in Nürnberg stoßen an ihre Kapazitätsgrenzen, wenn nicht alle Kommunen das Gleiche leisten. Von Obdachlosigkeit betroffene Menschen gehen dahin, wo Angebote sind. Das ist praktisch für andere Kommunen, die dann sagen können, dass sie in ihrer Stadt diese Probleme nicht hätten. Obwohl es eine staatliche Verpflichtung gibt, hier tätig zu werden, fehlt die Solidarität unter den Städten.
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