München (epd). Historische Unterlagen der ehemaligen jüdischen Gemeinden Floß (Oberpfalz), Treuchtlingen (Mittelfranken) und Wallerstein (Schwaben) sind ab sofort online abrufbar. "Das Archivmaterial ermöglicht Aussagen zur Religionsgeschichte, zur Familiengeschichte und zum Alltag vor allem im ländlichen Raum, zum Verhältnis von Jüdinnen und Juden zu Christinnen und Christen, zur wirtschaftlichen Lage der jüdischen Bevölkerung und vieles mehr", sagte Ludwig Spaenle, der Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, am Montag in München. Die Unterlagen sind online über die Findmitteldatenbank der Staatlichen Archive Bayerns zugänglich.

Zum Archivmaterial gehören den Angaben zufolge etwa Akten über das Schul- und Begräbniswesen, über Wirtschaft, Handel und Abgaben, Recht, Rabbinat und Kultus, Bausachen oder auch Nachlassangelegenheiten. Unterlagen aus etwa 200 ehemaligen jüdischen Gemeinden und Rabbinaten aus Bayern befinden sich aktuell in den Central Archives for the History of the Jewish People (CAHJP) in Jerusalem und seien nur schwer zugänglich, hieß es weiter. Sie waren nach der Reichspogromnacht 1938 durch den NS-Staat beschlagnahmt worden und gelangten teilweise in die Staatlichen Archive Bayerns. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sie dann an die Jewish Historical General Archives (JHGA), die Vorgängereinrichtung der CAHJP, in Jerusalem übergeben.

Die geschichts- und kulturpolitische Bedeutung der Digitalisierung der Archive sei nicht hoch genug einzuschätzen, sagte Spaenle weiter. Nun könnten etwa Historiker, jüdische Gemeinden, Familienforscher sowie interessierte Bürgerinnen und Bürger aus aller Welt rund um die Uhr auf die historischen Dokumente zum jüdischen Leben zugreifen. So könnten neue Erkenntnisse gewonnen werden - und Wissen bilde eine wichtige Grundlage gegen Judenhass, sagte der bayerische Antisemitismusbeauftragte.

Die restlichen der insgesamt etwa 200 Gemeindearchive sollen in den kommenden Jahren ebenfalls digitalisiert werden. Die Digitalisierung ist ein Kooperationsprojekt der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns mit den CAHJP in Jerusalem und wird vom Bayerischen Wissenschaftsministerium finanziell unterstützt. Es ist auf fünf Jahre angelegt und Teil der drei Leitprojekte für das Festjahr "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" und in Bayern 2021/2022.

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