Willmars, München (epd). Der Missbrauchs-Skandal in einem Diakonie-Kinderheim im unterfränkischen Willmars in der Rhön weitet sich aus: Wie die "Main-Post" (Mittwoch) berichtet, hat sich die Zahl der Opfer inzwischen auf sechs erhöht. Insgesamt würden jetzt zudem fünf Personen der körperlichen Gewalt und des sexuellen Missbrauchs bezichtigt. Die Taten im Diakonie-Kinderheim Nicol-Haus sowie im evangelischen Pfarrhaus von Willmars sollen vor allem in den 1960er Jahren stattgefunden haben.

Der evangelische Pfarrer Klaus Spyra war als Heimkind vom damaligen Heimleiter, einem Diakon der Diakonen-Bruderschaft des Stephansstift Hannover, missbraucht worden. Nachdem er die Taten 2015 gemeldet hatte, wurden ihm auch Leistungen in Anerkennung des erlittenen Leids zugesprochen. Nach und nach hatten sich infolge der medialen Berichterstattung über den Fall weitere Betroffene bei Journalisten gemeldet. Diese hatten schließlich auch gegen den damaligen Ortspfarrer Missbrauchsvorwürfe erhoben.

Bei einem vor kurzen abgehaltenen Aufarbeitungstreffen in Willmars hat sich laut Zeitungsbericht nun eine weitere Betroffene gemeldet. Sie berichtete von Vergewaltigungen außerhalb des Kinderheims durch einen bislang nicht beschuldigten Mann. Diese Information über einen weiteren Täter habe zu starken emotionalen Reaktionen bei den bisher bekannten Betroffenen geführt - der beschuldigte Mann sei von den fünf anderen Betroffenen in deren Erinnerung bisher als "freundlich und gut" abgespeichert gewesen.

Pfarrer Spyra bezeichnete die Vorfälle in Willmars als "monströs" und vermutet, es habe damals in Willmars ein "pädokriminelles Netzwerk" gegeben. Die sechste Betroffene, die sich beim Aufarbeitungstreffen - an dem auch Vertreter von Landeskirche und Diakonie Bayern teilgenommen hatten - erstmals zu Wort gemeldet hat, erinnerte sich an Übergriffe durch den Ortspfarrer. Eine frühere Heimleiterin soll außerdem ein Verhältnis mit einem Heimjungen gehabt und diesen beim Verlassen des Heims mitgenommen haben.

Das Kinderheim in Willmars wird von einem lokalen Diakonie-Verein getragen. Die Aufarbeitung der Vorwürfe soll strukturiert und institutionalisiert werden. Dazu werde ein Beirat gebildet, der die Anforderungen an den Aufarbeitungsprozess klar definieren und anschließend eine externe Expertin oder einen externen Experten für die eigentliche Aufarbeitungsarbeit beauftragen soll, teilte die Diakonie Bayern mit. Die Landeskirche will die Personalakte des inzwischen verstorbenen Ortspfarrers ebenfalls den Experten vorlegen.

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