Fürth (epd). An das Opfer von Menschenversuchen der Nazis, den Sinto Karl Höllenreiner, hat am Dienstag der bayerische Vorsitzende des Verbands Deutscher Sinti und Roma, Erich Schneeberger, erinnert. Aus Anlass des 75. Jahrestags des Beginns der "Nürnberger Ärzteprozesse" forderte Schneeberger in Fürth eine nach Höllenreiner benannte Straße oder einen Platz als "wichtiges Signal der Anerkennung des uns zugefügten Leids".

Höllenreiner, der als Häftling im KZ Dachau "medizinische" Menschenversuche überlebt hatte, sagte am 17. Juni 1947 in einer Zeugenvernehmung gegen den ehemaligen Stabsarzt der NS-Luftwaffe Wilhelm Beiglböck aus. Höllenreiner habe als Zeuge die Schutzbehauptungen entkräftet, die die angeklagten Mediziner der Truppen vorgebracht hätten. Nämlich, dass die Teilnahme an den durchgeführten "Meerwasserversuchen" freiwillig gewesen sei oder es für die an den Versuchen beteiligten KZ-Häftlinge eine bessere Verpflegung gegeben habe, heißt es in der Mitteilung Schneebergers.

Höllenreiner traf den "Doktor der Luftwaffe", der die Experimente durchgeführt hatte, vor Gericht wieder und versuchte ihn zu ohrfeigen. Dafür wurde er mit einer Ordnungsstrafe belegt. Beiglböck erhielt vom Internationalen Nürnberger Militärgerichtshof eine Haftstrafe von 15 Jahren, wurde aber schon Ende 1951 begnadigt und entlassen.

Nach dem sogenannten "Auschwitz-Erlass" von Heinrich Himmler vom 16. Dezember 1942 waren ab März 1943 alle noch in Deutschland lebenden Angehörigen der Minderheit der Sinti und Roma verhaftet und familienweise in die Konzentrationslager deportiert worden. Davon war auch die Fürther Familie Höllenreiner betroffen. Karl Höllenreiner wurde in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Ab 8. August 1944 war er im KZ-Dachau, wo Beiglböck an ihm Menschenversuche vornahm. Anschließend musste der Häftling bis Kriegsende Zwangsarbeit beim Flugzeugbauer Messerschmitt leisten. Zahlreiche Angehörige von Karl Höllenreiner wurden von den Nationalsozialisten in den Konzentrationslagern ermordet. Nach dem Krieg arbeitete er als Textilwaren- und Musikinstrumentenhändler. Er starb 1984.