Nürnberg, Wüstenrot (epd). Diffamierung, Drohungen und Hasskommentare: Das Nürnberger Institut für sozialwissenschaftliche Forschung, Bildung und Beratung (ISFBB) beklagt einen wachsenden Druck von rechts. Der Verein führt laut Mitteilung vom Dienstag seit mehr als zwanzig Jahren Bildungsveranstaltungen gegen die extreme Rechte, gegen Rassismus und Antisemitismus durch und veranstaltet regelmäßig Zeitzeugengespräche mit Holocaust-Überlebenden. "Seit diesem Jahr spüren wir als Bildungsverein erstmals, dass die extreme Rechte versucht, unsere Bildungsarbeit zu blockieren", äußerte sich Projektleiterin und Referentin Birgit Mair besorgt.

Als Beispiel führte sie an, dass am 11. Februar erstmals kurzfristig eine schon länger geplante Veranstaltung abgesagt wurde. Der für diesen Tag geplante Vortrag zum Thema "Hass und Hetze" im baden-württembergischen Wüstenrot sei vom Veranstalter, der Stadt Wüstenrot, abgesagt worden. Bürgermeister Timo Wolf bestätigte auf epd-Anfrage die Absage. Der Termin sei im vergangenen Jahr festgelegt worden, bevor klar war, dass es am 23. Februar eine Bundestagswahl geben werde. "Im Vorfeld von Wahlen gilt für Mandatsträger ein Neutralitätsgebot", sagte Wolf. Da er persönlich zu der Veranstaltung eingeladen hatte, fürchte er, sich rechtlich angreifbar zu machen und habe in Absprache mit dem Landratsamt kurzfristig entschieden, den Termin abzusagen. "Das Thema liegt mir aber am Herzen, deshalb soll der Vortrag im März stattfinden - nach der Wahl."

Birgit Mair hat kein Verständnis für die Absage, da es in ihrem Vortrag darum geht, "über die Mechanismen von Hass und Hetze aufzuklären und Ansätze aufzuzeigen, wie man aktiv dagegen vorgehen kann", so die Veranstaltungsbeschreibung. Es gehe nicht um Parteipolitik und auch um keine Wahlempfehlungen. Die Rechtsextremismus-Expertin befürchtet "einen vorauseilenden Gehorsam, weil man keine Schwierigkeiten bekommen will", sagte sie dem epd. "Leider ein Punktsieg für die extreme Rechte."

Gerade jetzt, während des Wahlkampfs, nähmen die Angriffe, die sich gezielt gegen die Bildungsarbeit des gemeinnützigen Vereins richten, massiv zu. "Zum Beispiel, dass Schüler nach Vorträgen diffamierende Dossiers über mich an unsere Kooperationspartner schicken. Das führt zu Unsicherheit und das ist kein Zufall. Rechte Kreise überlegen sich derzeit besonders, wie sie kritische Stimmen mundtot machen können." Weitere Methoden seien Fake-Bestellungen von Büchern, vermehrtes Doxing, also öffentliches Bloßstellen von Birgit Mair auf extrem rechten Social Media-Seiten, die Androhung von Strafanzeigen und den Holocaust verharmlosende und Zeitzeuginnen und Zeitzeugen beleidigende Kommentare auf dem YouTube-Kanal des ISFBB.

Der Umgang mit diesen Angriffen koste nicht nur Nerven, sondern auch viel Zeit und Energie, so Mair. Offensichtlich müsse die Bildungsarbeit gegen die extreme Rechte in Zukunft unabhängiger von staatlichen Institutionen sein. Hierbei suche der Verein gerade nach Lösungen.

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