Nürnberg (epd). Fachleute erwarten vom zweiten NSU-Untersuchungsausschuss keine lückenlose Aufklärung der NSU-Morde. Es sei vor allem mehr Expertise bezüglich der Netzwerke nötig, forderten die Moderatorinnen Lena Mariama Meinhold und Mina Bajalani bei einer Podiumsdiskussion am Donnerstagabend im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg. Anwesend waren Rechtsanwältin Seda Başay-Yildiz, die als Anwältin der Nebenklage der Familie von Enver Şimşek im NSU-Prozess tätig war, Jonas Miller, Sachverständiger im Prozess und Teil des investigativen Rechercheteams des BR und der Nürnberger Nachrichten zum NSU, sowie SPD-Politiker Arif Taşdelen.

Zentrale Themen des Ausschusses sind Unterstützungsnetzwerke, die Rolle der Polizei und Justiz sowie der Sprengstoffanschlag auf Mehmet O. 1999 in Nürnberg. Nach diesem sei nicht richtig ermittelt worden, stattdessen sei das Opfer selbst kriminalisiert und stigmatisiert worden, sagte Anwältin Başay-Yildiz: "Es waren rassistische Ermittlungen. Das muss man auch klar so benennen." Es gebe in den Augen der Verantwortlichen Opfer erster und zweiter Klasse. "Die denken: Da haben wir einen, der einen Migrationshintergrund hat. Ach, da wird bestimmt irgendwas sein. Der hat das bestimmt selbst gemacht oder er ist in irgendwelche Geschäfte verwickelt." Daher sei dem Fall die niedrigste Priorität eingeräumt worden.

Wäre das Attentat von den Behörden als solches eingestuft worden, hätte man einen Zusammenhang mit NSU-Bomben, die ein Jahr zuvor in Jena gefunden wurden, herstellen können, ist Taşdelen überzeugt. Die weiteren Morde hätten so möglicherweise verhindert werden können, so Miller. "Das Kopfschütteln über die Arbeit der Ermittlungsbehörden hat nicht aufgehört", sagte er. Datenlöschung und das Vernichten oder Zurückhalten eines Großteils der NSU-Akten würden die Arbeit des Untersuchungsausschusses erschweren, so die Moderatorin Meinhold. Sie forderte, dass alle Akten freigegeben werden.

Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru und İsmail Yaşar - drei der Opfer des NSU wurden in Nürnberg ermordet. Trotz parlamentarischer Untersuchungsausschüsse und dem Prozess gegen Beate Zschäpe und andere von 2013 bis 2018 sind immer noch Fragen zu Strukturen und Hintergründen des Terrornetzwerks offen.

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