Würzburg (epd). Der katholische Würzburger Bischof Franz Jung kann die Kritik am Missbrauchsgutachten der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Bistum Würzburg (UKAM) nachvollziehen. "Ein einheitliches Vorgehen wäre sicher wünschenswert gewesen", sagte Jung am Montag bei einer Pressekonferenz knapp eine Woche nach Vorstellung des Gutachtens. Nach Vorstellung der bundesweiten MHG-Studie im Auftrag der katholische Deutsche Bischofskonferenz im Herbst 2018 seien "einzelne Bistümer" aber nun einmal "vorgeprescht".
Einer der Kritiker des Würzburger Gutachtens ist Professor Harald Dreßing, Leiter der Forensischen Psychiatrie am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim und war Koordinator der MHG-Studie. Dreßing hatte in einem Leserbrief an die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Freitag) die verschiedenen Settings der einzelnen Bistums-Studien kritisiert. Deshalb könnten deren Ergebnisse "nicht miteinander verglichen werden". Diese Studien trügen "letztlich eher zu einer weiteren Vertuschung denn zu einer systematischen Aufklärung bei", schrieb er im Leserbrief weiter.
Dem UKAM-Gutachten zufolge gab es im Bistum Würzburg zwischen 1949 und 2019 Tausende Missbrauchstaten. Die Gutachter ermittelten für diese Zeitspanne 51 Beschuldigte, die mindestens 449 Taten an 226 Betroffenen begangen haben sollen. Ziehe man wegen teils ungenauer Angaben Schätzwerte heran, ergeben sich mehr als 3.000 Taten. Von den 51 Beschuldigten sind 43 Kleriker. Die Zahlen unterscheiden sich stark von denen der MHG-Studie. Diese hatte allein anhand der Personalakten aus den Jahren 2000 bis 2015 im Bistum bereits 48 Beschuldigte ermittelt.
Rund eine Woche nach der Vorstellung des UKAM-Gutachtens äußerte sich Bischof Franz Jung erstmals inhaltlich dazu. Es sei eine "verheerende Bilanz" sowie "beschämend und erschütternd". In den vergangenen Jahrzehnten seien Betroffene durch bischöfliche Behörden eingeschüchtert, Täter gedeckt, sexualisierte Gewalt inkonsequent verfolgt, Betroffene mit Ansichtserklärungen hingehalten, Fristen verschleppt und Meldepflichten nachlässig behandelt worden. Jung bat erneut um Entschuldigung "für die Jahre des Schweigens, der Verleugnung und der Untätigkeit".
Sein Amtsvorgänger, Altbischof Friedhelm Hofmann (2004-2017), ließ durch Jung eine kurze Erklärung verlesen. "Nach eingehender Lektüre" des UKAM-Gutachtens müsse er "selbstkritisch einräumen", dass in seiner Amtszeit als Bischof "Fehler gemacht wurden bei der Bearbeitung der Fälle sexuellen Missbrauchs". Zwar habe er jeweils "im Einzelnen" den Umgang mit den Fällen seinen Generalvikaren anvertraut, gleichwohl habe er "die Letztverantwortung" gehabt. Er wäre "als Bischof mehr gefordert gewesen" und sei hinter seiner Verantwortung zurückgeblieben", schreibt Hofmann.
In dem am 8. April vorgelegten Gutachten wird auch der ehemalige Personalchef des Bistums, Heinz Geist, mehrfach genannt. Geist war von 2002 bis 2010 darüber hinaus Missbrauchsbeauftragter des katholischen Bistums. Für diese Aufgabe dokumentiere das Gutachten ein "nicht immer den Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz" konformes Vorgehen in den ihm gemeldeten Fällen, heißt es in einer Stellungnahme Geists. Er "bedaure" dies. Als Konsequenz verzichte er auf seine Mitgliedschaft im Domkapitel und werde keine öffentlichen Gottesdienste mehr halten.
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