Der Betrieb im Diakoniedorf steht in der Tradition der Schongauer Wachsmanufaktur, die bereits im 16. Jahrhundert gegründet wurde. In den 1980er-Jahren zog sie nach Peiting um und beschäftigte zeitweise 300 Menschen sowie zusätzlich Heimarbeiter. Ende der 1990er-Jahre schloss das Unternehmen die Pforten. Die Licht- & Wachsmanufaktur Herzogsägmühle versteht sich als legitimer Nachfolger und beschäftigt heute 30 bis 35 Menschen.

Die Herstellungspalette deckt ein weites Feld ab. Es reicht von handgemachten Taufkerzen und kostbaren Wachsbildern bis hin zur Massenware von Fackeln und Teelichtern. Betriebsleiter Marc Sieling, ursprünglich Schreinermeister, steht seinem Stellvertreter und dem einzigen ausgebildeten Wachsbildner des Betriebs, Daniel Dengler, zur Seite.

Wachs aus Bienenstöcken und Rapsfeldern

Wachsbildner durchlaufen eine dreijährige Ausbildung als Wachszieher an einer Münchner Berufsschule, die ihre Lehrlinge aus dem deutschsprachigen Raum versammelt. Auszubildendenzahlen halten sich mit fünf bis zehn pro Jahr in fast elitären Grenzen. Einst war die Wachsbildnerzunft zusammen mit den Lebzeltern und Metsiedern die größte Zunft der Stadt Schongau. Heute muss die alte Handwerkskunst den Spagat zwischen Tradition und Umweltspannungen bewältigen.

Daniel Dengler verweist darauf, dass alle Wachssorten nur in begrenztem Maße verfügbar seien. »Bienenwachs ist das kostbarste Wachs, aber es wird wegen weltweiten Bienensterbens weniger«, sagt er. Paraffin als ein Nebenprodukt der erdölverarbeitenden Industrie werde wegen der versiegenden Ölquellen ebenfalls weniger. Es blieben noch pflanzliche Wachse aus Rohstoffen wie Raps und Palmfett. Rapsfelder wiederum belasteten die Umwelt durch Monokulturen und den massiven Einsatz von Pflanzenschutzmitteln; für den Anbau von Ölpalmen wiederum werde der Regenwald in großem Stile abgeholzt.

Bis zu 30 Tonnen Altwachs

Die Licht- & Wachsmanufaktur reagiert auf die daraus resultierenden Herausforderungen beispielsweise damit, dass die gesamte Outdoor-Produktpalette zu 100 Prozent aus recycelten Kerzenresten hergestellt wird, die die Werkstatt in Herzogsägmühle durch Spendenaufrufe einsammelt. Die Menge von angeliefertem Altwachs pro Jahr ist beeindruckend – sie liegt bei 25 bis 30 Tonnen.

Neben einschlägigen Betrieben in Bad Tölz, München, Augsburg und einigen Adressen im Allgäu behauptet sich die Licht- & Wachsmanufaktur an der Marktspitze. Produkte der Kerzenzieherei finden sich beispielsweise in vielen bayerischen Eine-Welt-Läden und in den Herzogsägmühler Geschäften. Die kunstvollen, in Handarbeit hergestellten Kerzen für feierliche Anlässe wie Taufen, Hochzeiten, Kommunionen, Trauerfälle und Jubiläen, haben eine treue Abnehmerschaft.

Hochsaison vor Weihnachten

Neben den traditionellen Mustern sind der Fantasie der Wachsbildner im Entwurf zeitgenössischer, aktueller Designs keine Grenzen gesetzt. Figuren und Skulpturen sind Filigranarbeit, die eine sichere Hand und Augenmaß verlangen. Beim Bemalen mit Ölfarben ist größte Sorgfalt nötig. Hochsaison hat Licht&Wachs vor Weihnachten: Von Mitte Oktober bis Anfang Dezember herrscht Hochbetrieb. Das Jahr über sind die Kirchen verlässliche Abnehmer. Insgesamt hält die Wachsbildnerei einen Produktionsanteil von rund zehn Prozent an dem Ausstoß von Licht und Wachs.

Für die soziale Komponente sorgen die Arbeitsplätze in der Massenfertigung. Für die Mitarbeiter im Bereich Teelichter und Fackeln sei der Betrieb ein Ankerplatz, sagt Marc Sieling. Sie finden im familiären Geist und in der Tagesstruktur der Wachswerkstatt Halt. Und sind dabei äußerst produktiv: 8.000 Teelichter laufen bei Licht&Wachs täglich von der halbautomatischen Fertigungsstraße.