Lisa Thöle ist als Rettungskraft regelmäßig im Einsatz. Sie hat selbst Erfahrungen damit gemacht, wie belastend ein Einsatz sein kann. In ihrem Gastbeitrag erklärt sie, wie das "ABCDE"-Schema dabei helfen kann, mit belastenden Situationen umzugehen.
Das ABCDE-Schema benutzen wir im Einsatz zur Ersteinschätzung eines Patienten, um schnell einen ersten Überblick über die Situation zu gewinnen. Leicht zu merken und damit ebenso leicht anzuwenden. Doch wie sieht es eigentlich aus, wenn Einsätze belastend für uns selbst sind? Wie erfolgt hier eine Ersteinschätzung?
Was wir täglich für die Einschätzung unserer Patienten nutzen, soll hier abgewandelt werden, um als kleine Stütze dienen zu können - hoffentlich ebenso leicht zu merken und anzuwenden. Der Rettungsdienst ist ein Berufsfeld, das oft mit erheblichen psychischen und physischen Belastungen verbunden ist. Dennoch scheint es ein Beruf zu sein, in dem diese Einsätze dazu gehören, "und man eben hart genug sein muss, oder man ist für den Beruf nicht geeignet".
Ich sehe das anders. Belastend können alle Einsätze sein, je nachdem in welcher eigenen Situation man sich gerade befindet oder welche eigenen Erfahrungen das Leben einem mitgegeben hat. Nach besonders schwierigen Einsätzen ist es wichtig, dass Einsatzkräfte Strategien zur Verarbeitung und Erholung kennen.
Ich habe hier 5 Informationen für Dich aufgeschrieben, die Dir helfen sollen, Deine Situation nach einem für Dich persönlich belastenden Einsatz einschätzen zu können und als Hilfestellung, was Du am besten für Dich tun kannst.
(A)nzeichen
Jeder Körper ist einzigartig und wie Dein Körper auf einen belastenden Einsatz reagiert, kann ganz unterschiedlich sein. Möglich sind unter anderem:
- Zittern;
- Schwitzen;
- körperliche Beschwerden;
- Schlaflosigkeit;
- Alpträume;
- Gedankenkreisen;
- Gereiztheit;
- Flashbacks;
- Traurigkeit;
- Schuldgefühl;
- Ängste;
- Schreckhaftigkeit;
- erhöhter Konsum von Tabak und/oder Alkohol;
- Vermeidungsverhalten von Orten, Tätigkeiten, Situationen, Personen
Dies sind nur Beispiele und können von Person zu Person in ihrer Ausprägung, Aufkommen, Intensität etc. variieren.
(B)elastung
Das Wichtigste und was wir uns immer klar machen sollten: es handelt sich um eine normale Reaktion auf ein unnormales Ereignis.
(C)ool-down
Die bei (A) beschriebenen Reaktionen Deines Körpers sind in den ersten Tagen nach einem belastenden Einsatz normal, sollten jedoch nach zwei bis vier Wochen abklingen. Treten die Symptome länger als vier Wochen auf, solltest Du professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Ansprechpersonen können hierfür Deine Rettungsdienstleitung, die zuständige Berufsgenossenschaft, Dein Betriebsarzt oder die psychologische Vermittlung über die 116 117 der Kassenärztlichen Vereinigung sein.
Wusstest Du, dass belastende Einsätze als Arbeitsunfall gemeldet werden können und Dir dadurch über die Berufsgenossenschaft Hilfe zur Verfügung steht? – Sprich mit Deiner Wach- oder Rettungsdienstleitung, welche Möglichkeiten und
(D)oes
Rede mit Kollegen und Vorgesetzten über den Einsatz. Vielleicht gibt es die Möglichkeit, eine PSNV-E (=Psychosoziale Notfallversorgung für Einsatzkräfte) zu Rate zu ziehen. Nochmal: Es sind normale Reaktionen auf ein unnormales Ereignis!
Informiere Deine Familie oder Angehörigen, darüber, wie es Dir geht. Lasse Deine Gefühle zu.
Versuche möglichst bald zu Deinem normalen Tagesablauf zurückzukehren. Verfolge Deine Hobbys weiterhin und vermeide eine Ablenkung durch Alkohol oder Drogen.
(E)rlebnis
Es kann sein, dass emotionale Reaktionen erst nach ein paar Tagen auftreten. Sei nicht zu streng mit Dir selbst und erinnere Dich daran, was Du körperlich und mental in dem Einsatz geleistet hast! Es kann sein, dass Du Flashbacks erlebst. Das Wichtigste ist, dies zu kommunizieren und offen damit umzugehen!
Es gibt auch anonyme Möglichkeiten, an die Du Dich wenden kannst, bspw. der Krisendienst, aber erinnere Dich auch, dass solche Gefühle und Reaktionen auch für Einsatzkräfte normal sind, immerhin sind wir auch Menschen!
Sprechen ist wichtig
Das hier vorgestellte ABCDE-Schema habe ich abgewandelt für den Umgang mit belastenden Einsätzen. Wichtig ist es, mit anderen Personen, die Deine Reaktionen nachvollziehen können, zu sprechen. Wir können anderen Menschen nur helfen, wenn wir auf uns achten und die Reaktionen unseres Körpers sehen und auf diese reagieren. Der Grundsatz, den Du mitnehmen solltest:
Normale Reaktionen auf ein unnormales Ereignis!
Mögliche auftretende Reaktionen sagen nichts über Deine Fähigkeiten als Einsatzkraft aus.
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