"Und das bei Leuten, die eigentlich helfen müssten", sagte Natalie Reinhardt dem Evangelischen Pressedienst (epd). Über Geschichte und Gegenwart kirchlicher Sozialarbeit mit Sinti und Roma diskutieren vom 24. bis 25. November Expertinnen und Experten bei der "Jahrestagung Netzwerk Sinti Roma Kirchen" im Nürnberger Karl-Bröger-Zentrum.

Reinhardt hält bei der Tagung einen Vortrag über "Die Macht des 'Helfens': Strukturen der Ausgrenzung in der Sozialen Arbeit".

Antiziganismus

Reinhardt kritisiert das strukturelle Gefälle zwischen Sinti und Roma als Minderheiten, die sich dem gängigen Klischee nach nicht selbst zu helfen wüssten und außerhalb der Gesellschaft stünden, und der Sozialarbeit, die sich als helfende Instanz selbst erhöhe.

"Da sehen sich Menschen, die Beratung in Anspruch nehmen wollen, einem Komplex gegenüber, der ihnen nicht wohlgesonnen ist - egal, ob unbeabsichtigt oder beabsichtigt."

Jugendämter entschieden sich laut Reinhardt bei Sinti und Roma beispielsweise schneller, Kinder aus den Familien zu nehmen, als bei anderen Bevölkerungsgruppen. Oft werde auch die Glaubwürdigkeit der Kinder und Eltern angezweifelt.

Bestimmte Erwartungshaltungen

"Wenn Sozialarbeitende zu Familien nach Hause kommen, sind sie oft verwundert, wie ordentlich es dort ist. Sie gehen also mit einer bestimmten Erwartungshaltung dorthin und sind dann überrascht, dass sie tatsächlich ein bürgerliches Milieu vorfinden", sagt Reinhardt.

In Schulen würden für Kinder, von denen bekannt ist, dass sie aus der Community von Sinti oder Roma kommen, trotz guter Leistungen immer wieder Empfehlungen für das Gymnasium verweigert.

Machtgefälle zwischen Sozialarbeit und Community

Ein weiterer Kritikpunkt der Verbandsleiterin ist, dass Hilfsstrukturen, die aus der Community selbst kommen und ehrenamtlich getragen werden, oft nicht anerkannt würden. "Da wird dann eine externe Stelle finanziert und diese Person nutzt die Arbeitsvorleistung der Ehrenamtlichen." Auch dies verstärke das Machtgefälle zwischen Sozialarbeit und der Community. "Das ist ein antiziganistisches Motiv, ein 'Othering', weil es klarmacht, wer wo steht in dieser Hierarchie", sagt Reinhardt.

Zusammenarbeit mit Kirche und Diakonie

In der Zusammenarbeit mit den Kirchen und Diakonien habe sich jedoch einiges getan. "Da ist man weggekommen von dem patriarchalen Bild. Es war ein langer Weg, aber man bemüht sich um Augenhöhe." Antiziganistische Stereotype kämen aber immer wieder vor. Reinhardt mahnt daher, sich an den christlichen Werten zu orientieren.

"Wenn man anderen hilft, ist man nicht besser als sie. Aus Demut und aus Liebe zu handeln bedeutet, sich nicht selbst aufzublähen." Sie wünscht sich, dass von kirchlicher Sozialarbeit die vorhandenen ehrenamtlichen Strukturen anerkannt werden und dass es mehr Sinti und Roma als Mitarbeitende in den Organisationen gibt.

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